Konjunktur

Lieferketten­probleme bremsen Wachstum aus

Die Hoffnung auf ein rasches Ende der Lieferengpässe könnte sich auch nach Einschätzung von HCOB-Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia als trügerisch erweisen.

Lieferketten­probleme bremsen Wachstum aus

ms/ba Frankfurt

Die globalen Lieferengpässe sowie die gestiegenen Preise für Rohstoffe und Vorleistungen bremsen das Wirtschaftswachstum massiv aus. Dementsprechend fallen die Erwartungen mittlerweile um einiges gedämpfter aus: Nun hat das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) die Prognosen deutlich reduziert, und auch der vierteljährliche Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) lässt für den Zeitraum von September bis Ende November nur mehr ein durchschnittliches Wachstum erwarten.

Die Hoffnung auf ein rasches Ende der Lieferengpässe könnte sich auch nach Einschätzung von HCOB-Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia als trügerisch erweisen. „Es besteht die Gefahr, dass sich die Probleme auf der Angebotsseite nicht so schnell in Luft auflösen“, sagte de la Rubia, der das Makro-Research bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB) leitet, bei einer virtuellen Diskussionsrunde im The Early Editors Club (TEEC). Im schlimmsten Fall könnte das zu anhaltend höherer Inflation und weniger Wachstum führen. „In diesem unfreundlichen Szenario besteht durchaus die Gefahr einer Stagflation“, sagte der Volkswirt.

Weltweit gibt es derzeit Engpässe bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten wie Halbleitern. Das bremst insbesondere die globale Industrie und schürt Sorgen vor einer spürbaren Konjunkturabkühlung nach der starken Erholung im Frühjahr und Sommer. Zugleich trägt das zu der seit Jahresbeginn unerwartet stark steigenden Inflation bei. Die Notenbanken beschwichtigen; die Europäische Zentralbank (EZB) etwa setzt auf ein baldiges Überwinden der Engpässe.

De la Rubia argumentierte nun, dass sich neue Produktionskapazitäten kurzfristig nicht beliebig hochfahren ließen: „Zum Bau einer neuen Halbleiterfabrik braucht man beispielsweise mindestens zwei Jahre. Und wenn es nicht genügend Schiffe gibt, um mit der Flut an Gütern, die transportiert werden, fertig zu werden, dann benötigt eine Werft auch über 24 Monate, um ein entsprechendes Containerschiff bereitzustellen.“ Wenn noch dazu die Pandemie Länder weiter in Atem halte, blieben zudem die globalen Wertschöpfungsketten durch Lockdowns und Hafenschließungen wie derzeit in China gestört. Erst gestern verhängten die Behörden der Küstenmetropole Xiamen in der Provinz Fujian einen Lockdown.

„Die Pandemie wird uns noch eine ganze Zeit lang begleiten, und das wird sich in den Kosten niederschlagen, die dann nach und nach von den Unternehmen an die Konsumenten weitergegeben werden“, so de la Rubia. Auch die generelle Neuordnung der Wertschöpfungsketten mit wieder mehr Lagerhaltung, mehreren Zulieferern und Regionalisierung der Lieferketten könne sich preistreibend auswirken. Katharina Utermöhl, leitende Europa-Volkswirtin bei der Allianz, sagte beim TEEC, dass sich die Inflationsraten schon 2022 wieder deutlich normalisieren sollten. Sie dämpfte auch Sorgen, dass eine Rückabwicklung der Globalisierung oder die demografische Entwicklung zwangsläufig zu einer künftig wieder höheren Inflation führe müsse – wie etwa der ehemalige britische Notenbanker Charles Goodhart argumentiert. Utermöhl sagte: „Wenn die Produktivität zulegt, wirkt das preisdämpfend und kann solche Effekte kompensieren.“ Zu­gleich warnte aber auch sie vor zu viel Selbstsicherheit: „Das Risiko einer höheren Inflation ist aktuell so groß wie seit Jahrzehnten nicht.“

Das IWH Halle hat seine Inflationsprognosen für dieses und kommendes Jahr erhöht: auf 2,9% und 2,6% nach zuvor 2,1% und 1,9%. Die Wachstumsprognose steht nun bei 2,2% und 3,6%. Im Juni waren es noch 3,9% und 4,0%.

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