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Marta Cartabia führt Italiens Verfassungsgericht

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 14.12.2019 Mit Marta Cartabia ist erstmals eine Frau zur Präsidentin des italienischen Verfassungsgerichts berufen worden. Die 56-jährige Jura-Professorin wurde von einem Gremium aus 15 Richtern...

Marta Cartabia führt Italiens Verfassungsgericht

Von Gerhard Bläske, MailandMit Marta Cartabia ist erstmals eine Frau zur Präsidentin des italienischen Verfassungsgerichts berufen worden. Die 56-jährige Jura-Professorin wurde von einem Gremium aus 15 Richtern einstimmig gewählt und erhielt 14 Stimmen. Sie selbst enthielt sich. Die verheiratete Mutter von drei Kindern gilt als Expertin für EU-Recht, verfügt über umfangreiche nationale und internationale Erfahrung und steht Staatspräsident Sergio Mattarella nahe. Er soll sogar erwogen haben, sie während der Regierungskrise im Sommer zur Premierministerin zu ernennen.Cartabia selbst hofft, “das Kristallglas nun zerbrochen” und den Weg für andere Frauen in Führungspositionen geebnet zu haben. “In Italien zählen das Alter und das Geschlecht noch ein bisschen”, meint sie nach ihrer Wahl ironisch. Ex-Premierminister Matteo Renzi scheiterte 2014 mit der Einführung einer Frauenquote im Abgeordnetenhaus. An den Spitzen fast aller Parteien stehen Männer – mit Ausnahme der neofaschistischen Fratelli d’Italia und der proeuropäischen Minipartei Piu Europa. Und nur eine von 20 Regionen wird von einer Frau geführt. Immerhin gab es schon eine Präsidentin des Abgeordnetenhauses, und in Rom und Turin stehen Frauen den Stadtverwaltungen vor. Ähnlich sieht es in der Wirtschaft aus. Mit Ausnahme der Unternehmerin Emma Marcegaglia, die auch den Industriellenverband Confindustria geleitet hat und Verwaltungsratschefin des Energiekonzerns Eni ist, sowie von Donatella Versace vom gleichnamigen Modekonzern gibt es so gut wie keine Frauen in Führungspositionen.Cartabia stammt aus der Nähe von Mailand, ist stark in der katholischen Laienbewegung Comunione e Liberazione engagiert und ordentliche Professorin für Verfassungsrecht an der Universität Mailand-Bicocca. In Mailand hat sie Jura studiert und sich früh mit europäischem Verfassungsrecht befasst. Promoviert hat Cartabia am Istituto Europeo in Fiesole bei Florenz und ging später nach Aix-en-Provence und Ann Arbor (USA). Cartabia hat viel veröffentlicht.Ins Führungsgremium des Verfassungsgerichts wurde Cartabia 2011 vom damaligen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano berufen. Seit November 2014 war sie eine der Vizepräsidentinnen. Marta Cartabias Tage an der Spitze des Verfassungsgerichts sind jedoch gezählt. Richter am höchsten Gericht Italiens können maximal neun Jahre bleiben. Da sie dem Kreis seit September 2011 angehört, endet ihr Mandat am 13. September 2020.