Ukraine-Krieg

Masterplan gegen Gas-Abhängigkeit

Der Krieg in der Ukraine führt die Abhängigkeit Europas von russischem Gas schmerzhaft vor Augen. Die Internationale Energieagentur legt Empfehlungen für eine Abkehr vor.

Masterplan gegen Gas-Abhängigkeit

wü Paris

Die Internationale Energieagentur (IEA) drängt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), keine neuen Verträge mit dem russischen Energiekonzern Gazprom zu unterzeichnen. Die Empfehlung ist Teil eines Zehn-Punkte-Plans, den die Organisation mit Sitz in Paris Regierungen und Unternehmen in Europa empfiehlt, um Europas Abhängigkeit von russischen Gas-Importen innerhalb eines Jahres um mehr als ein Drittel zu reduzieren.

„Europa muss die dominante Rolle Russlands in seinen Energiemärkten schnell verringern und Alternativen so schnell wie möglich hochfahren“, betonte IEA-Chef Fatih Birol. Denn inzwischen mache sich niemand mehr Illusionen: Russland benutze seine Gasvorkommen als politische und wirtschaftliche Waffe. Deshalb müsse Europa nun schnell handeln, um für die im kommenden Winter drohenden Unsicherheiten gewappnet zu sein.

Lieferungen bislang stabil

Voriges Jahr hat die EU 155 Mrd. Kubikmeter Erdgas aus Russland importiert. Das entspricht rund 45% der gesamten Gasimporte der EU und fast 40% ihres Gaskonsums. Dabei sind einige Länder wie Ungarn, Österreich, die Slowakei, Deutschland und Italien besonders abhängig von Gas aus Russland (siehe Grafik). Bisher sind die Lieferungen trotz der Invasion der Ukraine und der darauf erfolgten Sanktionen stabil geblieben, doch die Preise sind wegen der Furcht vor Lieferausfällen stark angestiegen.

Kurzfristig habe Europa Vorräte für rund einen Monat, was dank des milden Winters bis Ende März reichen sollte, haben die Ökonomen von Allianz Research berechnet. Sollte Russland seine Gaslieferungen komplett stoppen, sei Europa kurzfristig widerstandsfähig, erklärte die französische Umweltministerin Barbara Pompili bei der Vorstellung des Zehn-Punkte-Plans der IEA. Frankreich hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne.

Nach Angaben von EU-Energiekommissarin Kadri Simson will die EU-Kommission nächste Woche einen Weg vorschlagen, wie Europa so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden kann. „Der Krieg in der Ukraine hat unsere Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen und die damit verbundenen Risiken schmerzhaft vor Augen geführt“, sagte sie.

Günstiges Zeitfenster

Die IEA empfiehlt nun, Gasimporte zu diversifizieren und dabei von dem günstigen Zeitfenster zu profitieren, das sich daraus ergibt, dass Ende dieses Jahres Verträge mit Gazprom über Gaslieferungen von mehr als 15 Mrd. Kubikmetern jährlich auslaufen. Das entsprach 2021 rund 12% der Lieferungen Gazproms in die EU. Weitere Verträge mit Gazprom über Lieferungen von jährlich fast 40 Mrd. Kubikmetern enden Ende des Jahrzehnts. Sie alle sollten nicht erneuert werden, empfiehlt die IEA.

Stattdessen sollte sich die EU nach Alternativen umschauen, die Produktion innerhalb der EU sowie Importe über nichtrussische Pipelines etwa aus Norwegen und Aserbaidschan und Importe von Flüssiggas (LNG) aus Ländern wie Katar erhöhen. Dadurch könnte die EU nächstes Jahr ihre Gasimporte um 30 Mrd. Kubikmeter erhöhen.

Die IEA rät auch, neue Windkraft- und Solarprojekte zu beschleunigen, EU-Mitgliedern wie bei Öl eine strategische Gasreserve vorzuschreiben und die Gewinnung von Energie aus Quellen mit niedrigen Emissionswerten wie Atomkraft oder Bioenergie zu optimieren. Weiter listet die IEA auf, Gasboiler durch Wärmepumpen zu ersetzen, die Energieeffizienz von Immobilien und Unternehmen zu steigern und die Thermostate in Gebäuden ein Grad niedriger einzustellen. All dies könne wichtige Beiträge leisten, Gasverbrauch und Abhängigkeit zu senken.

Die Vorschläge seien an das Ziel der EU angepasst, bis 2050 klimaneutral zu werden, sagte IEA-Chef Birol. Europa müsse jetzt seine Anstrengungen erhöhen, um die Quellen für die Flexibilität der Stromversorgungssysteme zu diversifizieren und dekarbonisieren.

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