WAHLEN IN GROSSBRITANNIEN

Mays Wankelmut gefährdet Sieg

Britische Ministerpräsidentin wirkt nach peinlichem Rückzieher angeschlagen

Mays Wankelmut gefährdet Sieg

Von Andreas Hippin, LondonDie britische Premierministerin Theresa May (60) ist mit einem großen Vorsprung in den Umfragen ins Rennen gegangen, der auf einen erdrutschartigen Sieg bei der Wahl am 8. Juni hoffen ließ. Inzwischen ist der Vorsprung stark geschrumpft. Einem Modell der Meinungsforscher von Yougov zufolge könnten die Tories sogar Mandate verlieren. Dann käme keine Partei auf eine absolute Mehrheit. Statt einer “starken und stabilen Führung”, von der die Kandidatin der Konservativen immer wieder spricht, bot sie bei ihren roboterhaften Auftritten zuletzt ein Bild der Verzagtheit. David Camerons ehemaliger Stellvertreter, Nick Clegg von den Liberaldemokraten, nannte May einst wenig schmeichelhaft die “Eiskönigin”, der ehemalige Vorsitzende der Konservativen, Eric Picles, hatte einen anderen Spitznamen für sie: “Tricksy Belle of Marsham Street”; das ist die Straße, in der sich das Innenministerium befindet. Vor der Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft hatte sich May mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten, tauchte dann aber im Lager der Brexit-Gegner auf. Als sich die andere Seite durchsetzte, wartete sie zunächst ab, um den Ausstieg aus der EU dann so vehement voranzutreiben, als wäre er ihre Idee gewesen. In der Zuwanderungsdebatte gehörte sie zu denjenigen, von denen die schärfsten Positionen vertreten wurden. Im Wahlprogramm findet sich erneut das Versprechen, die Zahl der Einwanderer auf weniger als 100 000 pro Jahr zu senken.Die Angst, auf dem Weg in den Brexit den Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren, ist groß in der Downing Street. Schatzkanzler Philip Hammond musste im März die von ihm befürwortete Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Selbständige auf Druck von May wieder zurücknehmen (vgl. BZ vom 17. März). Hausbesitzer werden künftig doch nicht so sehr gezwungen, sich an den Kosten der häuslichen Pflege zu beteiligen, wie im Wahlprogramm vorgesehen. Ursprünglich sollten sie ihre Immobilien beleihen müssen und lediglich 100 000 Pfund für sich behalten können. Als die Opposition von einer “Demenzsteuer” sprach, kündigte May prompt an, dass es eine Obergrenze für die Selbstbeteiligung geben werde – ein Modell, das zuvor wegen seiner Ungerechtigkeit verworfen worden war. Man darf davon ausgehen, dass auch die Idee, wohlhabenden Pensionären den Heizkostenzuschuss zu streichen, nicht in die Wirklichkeit übertragen wird. Dabei zahlt sich der Wankelmut Mays nicht aus. Unter vielen älteren Wählern hat sie nun den Ruf weg, ihren Interessen zuwiderzuhandeln.Nach dem Massaker von Manchester erhöhte sie zunächst die Terrorwarnstufe auf den höchsten Wert und sendete damit Zeichen der Entschlossenheit. Wenige Tage später wurde die Warnstufe wieder gesenkt, obwohl Festnahmen, Durchsuchungen und Evakuierungen weitergingen. Als kurz darauf in London ein weiterer verheerender Anschlag verübt wurde, wurde die Frage laut, warum sie in ihrer Zeit als Innenministerin unter Cameron nicht entschlossener gegen den islamischen Extremismus vorgegangen ist.