Künstliche Intelligenz

McKinsey: Millionen Arbeitnehmer müssen sich neue Jobs suchen

Künstliche Intelligenz wird viele Tätigkeiten und Jobs übernehmen. Millionen von Menschen müssen sich bis 2030 umorientieren, warnt eine McKinsey-Studie. Um als Wirtschaftsstandort und als Sozialstaat überleben zu können, ist eine gigantische Weiterbildungsoffensive nötig.

McKinsey: Millionen Arbeitnehmer müssen sich neue Jobs suchen

Vor allem Bürojobs fallen der KI zum Opfer

McKinsey: Drei Millionen Arbeitskräfte müssen sich in Deutschland bis 2030 neu orientieren

lz Frankfurt

Dass künstliche Intelligenz (KI) manche Berufe und Tätigkeiten menschlicher Akteure überflüssig macht, weil sie automatisiert oder mit anderen Jobs zusammengefasst werden können, ist längst bekannt. Die vom McKinsey Global Institute (MGI) nun präsentierte Größenordnung erstaunt aber dann doch: Bei einer schnellen Einführung von Systemen mit künstlicher Intelligenz in den Unternehmen müssen sich in Deutschland viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon früher als gedacht auf gravierende berufliche Veränderungen einstellen, heißt es in einer neuen Studie des MGI. Bis zum Jahr 2030 wären in Deutschland bis zu drei Millionen Jobs von einer Veränderung betroffen, das entspricht 7% der Gesamtbeschäftigung. Um die Menschen auf neue Aufgaben vorzubereiten, fordern die Studienautoren daher eine Beschleunigung der Weiterbildungsanstrengungen auf allen Ebenen.

Die von McKinsey vorgestellten Projektionen gehen von einer beschleunigten Einführung der KI-Systeme in den USA und in Europa aus. Diese könne bis 2030 zur Automatisierung von fast einem Drittel der Arbeitsstunden führen. Bis 2035 könnte diese Zahl in der EU sogar auf 45% steigen. Den Berechnungen zufolge könnten bis 2030 in Europa und den Vereinigten Staaten jeweils fast zwölf Millionen Jobwechsel notwendig sein. In Europa entspreche das 6,5% der aktuellen Arbeitsplätze.

Mehrere Transformationen

Diese KI-Transformation steht natürlich nicht für sich alleine, sondern es laufen parallel weitere Veränderungen, welche die Arbeitswelt durcheinanderwirbeln und die Lage am Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck setzen: Die Automatisierung durch Roboter etwa beschleunigt sich noch weiter im Zuge immer besserer Algorithmen, und der Wechsel hin zu klimaneutraler nachhaltiger Produktion krempelt ebenfalls ganze Branchen um. Es entstehen zwar auch neue Jobs, etwa im Bereich erneuerbarer Energien, aber viele alten im fossilen Sektor fallen weg. Die dort beschäftigten Menschen müssen sich neue Tätigkeiten suchen.

Die Studien-Autorinnen und -Autoren sehen obendrein die Gefahr, dass sich der Arbeitsmarkt strukturell auseinanderentwickelt. Einerseits könnten hoch qualifizierte und überdurchschnittlich bezahlte Arbeitsplätze kaum besetzt werden. Andererseits bestehe die Gefahr eines Überangebots an Arbeitskräften im Niedriglohnsektor. So könnte in Europa der Anteil hoch bezahlter Berufe um 1,8 Prozentpunkte steigen, während der Anteil niedrig bezahlter Berufe um 1,4 Prozentpunkte sinken könnte.

KI macht den Kundenservice

Die stärksten Veränderungen sehen die McKinsey-Forscher auf Büro-Jobs in den Verwaltungsbereichen der Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zukommen. Mehr als jeder zweite durch die KI verursachte Jobwechsel (54%) in Deutschland falle in diesen Bereich. Deutschland sei neben Italien besonders betroffen, da die Bürohilfstätigkeiten einen hohen Anteil an der Gesamtbeschäftigung ausmachten. Mit 17% folgen der Bereich Kundenservice und Vertrieb, Tätigkeiten in der Produktion seien zu 16% betroffen.

Potenziell davon erfasste Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich am besten durch Schulungen und andere Qualifikationsmaßnahmen davor schützen, von der KI aufs berufliche Abstellgleis geschoben zu werden. Laut der Studie wird nämlich die Nachfrage nach technischen Kompetenzen stark zulegen; allein in Europa um 25%. Aber auch soziale und emotionale Kompetenzen würden stärker gefragt (plus 12%).

Problemlöser gesucht

Die Studienautoren sprechen auch von „kritischen Denkern“ und „Problemlösern“, die gesucht würden. Sie müssen in der Lage sein, die KI-Ergebnisse zu kontrollieren und zu begleiten. Außerdem braucht man sie, um die „Intelligenz“ mit Aufgaben zu füttern. Rund um die sogenannten „Prompt-Ingenieure“ dürften sich insofern weitere Tätigkeiten herausbilden, die bislang noch nicht bekannt sind, wie viele Wissenschaftler darlegen.

Zwar klagt die deutsche Wirtschaft über Fachkräftemangel, und manche Unternehmen haben angesichts des KI-Wandels die Hoffnung, diesen damit beheben zu können. Die Neuorientierung vieler Menschen, die durch KI ihren Job verlieren, ist aber kein Selbstläufer. Das muss vom Staat und von den Unternehmen aktiv durch Weiterbildungsmaßnahmen begleitet werden – auch, um zu verhindern, dass die Fachkräfte sich wie in den 70er und 80er Jahren in den Vorruhestand vom Arbeitsmarkt verabschieden.

Produktivität steigt

Die volkswirtschaftlichen Folgen sehen die McKinsey-Forscher unter diesen Rahmenbedingungen positiv: Durch eine beschleunigte Einführung von KI und eine effektive Weiterqualifizierung von Arbeitnehmern in der europäischen Wirtschaft könne die jährliche Produktivitätswachstumsrate in Europa bis 2030 auf 3% gesteigert werden. Allerdings gibt es auch andere Studien, die eine viel geringere Produktivitätssteigerung zugrunde legen.

Die McKinsey-Studie untersuchte die wichtigsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen bis 2030 in den USA und zehn europäischen Ländern, neben Deutschland auch in Frankreich, den Niederlanden, Spanien, Großbritannien, Schweden, Italien, Dänemark, Tschechien und Polen. Zudem wurden mehr als 1.100 Vorstände von Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA befragt.