Frank Schäffler

Mehr Transparenz in der öffentlichen Verwaltung

Die Distributed-Ledger-Technologie könnte Abhilfe gegen Aktenberge, Bürokratie und lange Bearbeitung schaffen, meint der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler.

Mehr Transparenz in der öffentlichen Verwaltung

Transparenz wird sich gern in Politik und Verwaltung auf die Fahnen geschrieben. Nur ist es in der Realität ein steiniger Weg, Einblicke in die Verwaltungsprozesse in Deutschland zu bekommen. Gründe sind Aktenberge, bürokratische Prozesse, ewige Bearbeitungszeiten. Abhilfe könnte die Distributed-Ledger-Technologie leisten. Auf Veranlassung der FDP-Fraktion hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag einen Bericht zu den Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz und Distributed-Ledger-Technologie (DLT) in der öffentlichen Verwaltung veröffentlicht. Der Bericht wurde am 1. De­zember in den Deutschen Bundestag eingebracht.

Die Vorzüge von DLT

DLT – oder oft verkürzt Blockchaintechnologie – bezeichnet eine Art der dezentralen Kassen- oder Registerführung. Auf öffentlichen DLTs kann jeder die Datenbasis einsehen und Registereinträge vornehmen. Die auf der DLT gespeicherten Daten sind zwar für jeden einsehbar, aber nicht unbedingt lesbar, da die Daten verschlüsselt abgespeichert werden. Da aber jeder das Register verändern kann, scheinen öffentliche Blockchains für die Verwaltung nur in Ausnahmefällen geeignet. Auf privaten DLTs kann nur ein begrenzter Kreis an Akteuren die Datenbank einsehen und verändern. Eine Mischform sind sogenannte Public-Permissioned-Netzwerke, die öffentlich einsehbare Datenbanken mit begrenztem Schreibrecht darstellen.

Die letzten beiden Arten scheinen für Verwaltungsvorgänge attraktiv. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung hebt die Potenziale der DLT für die Verwaltung hervor. Sie kann auf allen Verwaltungsebenen die Automatisierung der Register vorantreiben und so die Registerpflege effizienter gestalten. In standardisierten Verwaltungsprozessen werden Daten genutzt und geändert, jedoch nicht ausgetauscht. Ein eleganter Anwendungsfall für DLT-Lösungen, da diese sich durch Manipulationsresistenz und Nichtabstreitbarkeit auszeichnen.

Behörden hinken hinterher

DLT-Anwendungen können viele aufwendige, bislang papierbasierte Prozesse in der öffentlichen Verwaltung optimieren und die Verifikation von Dokumenten schneller und sicherer umsetzen. So könnten notarielle Vollmachten und Erbscheine über DLT ausgegeben werden und zweifelsfrei festgestellt werden, ob eine Vollmacht bzw. ein Erbschein zum gegebenen Zeitpunkt noch Gültigkeit besitzt.

Fragt man die deutschen Behörden, gibt es dieses Potenzial gar nicht. So gaben in der deutschlandweiten Behördenbefragung „Zu­kunfts­panel Staat & Verwaltung“ ein Drittel der obersten Entscheidungsträger bzw. Behördenleitungen an, dass sie DLT nicht beurteilen können. Auf allen Verwaltungsebenen wurde der DLT eine geringe Relevanz attestiert.

Andere machen es vor

Andere Länder sind hier weiter und führen bereits Pilotprojekte. So basiert die E-Identity in Estland zwar nicht auf DLT, es gibt sie seit 2002, aber in der DLT-ähnlichen Anwendung e-Estonia werden öffentliche Verwaltungsleistungen digitalisiert angeboten. So können Esten bereits an elektronischen Wahlen teilnehmen, den Wohnsitz digital ummelden oder auch ohne Gang zum Amt ein Auto anmelden. 95% der Steuererklärungen werden in Estland digital abgegeben und im Durchschnitt benötigen die Esten dafür drei Minuten. Zur Abgabefrist der Steuererklärung jeden Jahres würden Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland davon träumen.

Das maltesische Bildungsministerium setzt auf eine DLT-Lösung zur Verifikation von Abschlussdiplomen und Zertifikaten. Teilnehmende Institutionen erhalten digitale Schlüssel und auf der Blockchain wird registriert, dass nur sie Zertifikate ausstellen können. Nutzer erhalten eine digitale Identität und können ihre Zertifikate über eine (kostenlose) App weitergeben.

Grundbuch auf Blockchain

Im niederländischen Groningen werden Gutscheine für einkommensschwache Bürger über eine Blockchainlösung von Zcash abgewickelt. Über Zero-Knowledge-Mechanismen werden Transaktionen auf Gültigkeit überprüft, ohne dass Informationen über die Identitäten der beteiligten Partner offenbar werden.

In Schweden wird das Grundbuch- und Katasterwesen mithilfe der DLT realisiert. In der Blockchain werden durch die Landesbehörde beglaubigte Daten wie Kaufverträge oder Eigentumsübertragungen gespeichert und sie sind für die Öffentlichkeit einsehbar. Immerhin: Auch hierzulande hat sich die Koalition im Koalitionsvertrag auf eine Machbarkeitsstudie zu einem Grundbuch auf Blockchain geeinigt.

Es lebe das PDF

Statt auf eine lebhafte Entwicklercommunity im Blockchainbereich zu setzen, hat uns die letzte Regierung das Onlinezugangsnetz (OZG) im Jahr 2017 beschert. Bis Ende 2022 sollen 575 Verwaltungsdienstleistungen digital verfügbar sein. Im August waren davon 49 Dienstleistungen vollständig digitalisiert, immerhin 207 Leistungen haben den „Reifegrad einer PDF-Datei“. Grund dafür ist kommunales Hin und Her und vermutlich auch Reaktanz der Behörden, die nur zu ungern auf ihre tradierten Arbeitsweisen verzichten. Wir brauchen eine Verwaltungsmodernisierungsoffensive und mehr Mut zur Transparenz. Mut zur Transparenz und Mut zur Technologie – die Blockchaintechnologie kann dafür einen Einstieg bieten.

Frank Schäffler ist Bundestagsabgeordneter der FDP und Geschäftsführer des Berliner Thinktanks Prometheus – Das Freiheitsinstitut. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.

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