NOTIERT IN MOSKAU

Nach der Privatisierung ist vor der Privatisierung

Das Resümee des ersten Amtsjahres von US-Präsident Donald Trump mag durchwachsen ausfallen. Eines aber ist unbestritten: Er treibt im Ausland gelagertes Kapital nach Hause. Und zwar nicht nur das US-amerikanische in die USA. Nein, auch das russische...

Nach der Privatisierung ist vor der Privatisierung

Das Resümee des ersten Amtsjahres von US-Präsident Donald Trump mag durchwachsen ausfallen. Eines aber ist unbestritten: Er treibt im Ausland gelagertes Kapital nach Hause. Und zwar nicht nur das US-amerikanische in die USA. Nein, auch das russische nach Russland. Indem er nämlich – wohlgemerkt auf Druck des Kongresses – im Sommer ein neues Sanktionsgesetz unterzeichnet hat, dessen Umsetzung nun Ende Januar konkretisiert wurde, hat er Russlands Geldadel gehörig in Schrecken versetzt. Dieser hat reagiert und in den Wochen vor der Publikation der neuen Sanktionsliste Rekordtransaktionen – vor allem aus der Schweiz und weiters aus Großbritannien und Österreich – durchgeführt. Verdreifacht hätten sich die Summen im Januar gegenüber dem Vorjahr, teilte Jewgenija Tjurikowa, Chefin von Sberbank Private Banking, dieser Tage mit: Es habe sich um Hunderte Millionen Dollar handelt.Damit ist freilich noch kein Staat zu machen. Gleichzeitig trifft es auf das Ansinnen der Regierung, Kapital zu repatriieren und auch namhafte Geschäftsleute, die vor der russischen Justiz ins Ausland geflüchtet sind, unter gewissen Bedingungen zurückzuholen. Wladimir Putins Wirtschaftsombudsmann Boris Titow, der interessanterweise gegen Putin bei der Präsidentschaftswahl antritt, ohne gewinnen zu wollen, weil er eigenen Worten zufolge “kein guter Politiker” sei, war kürzlich in London, um mit den dort exilierten Tycoons über eine Rückkehr zu verhandeln. Eine Amnestie, so Titow, würde Russlands Wirtschaft immer noch mehr nützen als eine Haftstrafe.Was ihr freilich am meisten nützen würde, wäre, wenn das Geld in die Privatisierung zu Hause flöße. Dafür bräuchte es aber eine Privatisierung, die diesen Namen auch verdient. Denn ob es nach der Wahl eine neue Welle bzw. besser gesagt eine richtige Welle der Privatisierung gibt, ist im Moment eine der großen Fragen in Russland.Nimmt man die Erfahrung der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte, so wird wohl nichts daraus werden. Angekündigt worden war eine solche nämlich schon mehrmals. Meistens hat der Berg dann aber nur eine Maus geboren. Mehr noch, der Staatsanteil ist unter dem Strich meist noch gewachsen. Wie hoch er genau ist, bleibt etwas umstritten. Das Zentrum für Strategische Planungen (ZSR), das vom renommierten Ex-Finanzminister Alexej Kudrin geleitet wird und das in Konkurrenz mit anderen ein Programm für Putins vierte Amtszeit ausgearbeitet hat, beziffert den Anteil mit 46 %. Wenn Russland eine erfolgreiche Volkswirtschaft werden und sich dem internationalen Wirtschaftstrend anschließen wolle, sei eine umfassende und maximale Privatisierung der Schlüssel dazu, schreiben die Autoren des Programms, das durchaus radikal ausfällt. Der Privatisierungsplan solle sofort ausgearbeitet werden.Es gehört zu den großen Rätseln, warum die russische Bevölkerung privatem Firmeneigentum nach wie vor sehr skeptisch gegenübersteht und im Gegenzug dem Staat, der ja schon die erste Privatisierung Anfang der 1990er Jahren ziemlich verbockt hat, wie blind vertraut. Dabei ist offensichtlich, dass gerade in Russland die Staatsfirmen weitaus ineffizienter gemanagt sind als die privaten.Aber man sollte sich nicht auf das Volk herausreden. Am Ende ist es die Elite, die sich nicht vom Eigentum in ihrem Einflussbereich trennen kann, was dann sogar zu Pseudoprivatisierungen führte – etwa Ende 2016, als der staatliche Ölriese Rosneft im Namen der Privatisierung andere Staatsaktiva aufkaufte.Und noch ein Aspekt darf nicht vergessen werden: Wie die Erfahrung etwa beim Ölkonzern Yukos gezeigt hat, werden privatisierte Staatsaktiva mitunter als temporäre Lehen betrachtet. Niemand kann sicher sein, dass es ihm nicht früher oder später weggenommen wird. Auch Putins Elite steht vor diesem Phänomen und hat keinerlei Garantie, dass sie ein privatisiertes Staatsvermögen nach einem Machtwechsel nicht wieder verliert.Damit so etwas nicht passiert, bräuchte es funktionierende staatliche Institutionen wie unabhängige Gerichte. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn solche Institutionen befördert gerade Privatisierung durch bessere Unternehmensführung und die Herausbildung einer Klasse von Eigentümern, die am Funktionieren solcher Institutionen interessiert sind.