EZB-Kurs

Nagel liebäugelt mit einer Reihe Zins­erhöhungen

Angesichts der hartnäckig hohen Inflation in Euroland hat Bundesbankpräsident Joachim Nagel gleich mehrere Zinserhöhungen noch in diesem Jahr avisiert. Positive Konjunkturnachrichten gibt von der Kreditvergabe.

Nagel liebäugelt mit einer Reihe Zins­erhöhungen

ms Frankfurt

Angesichts der hartnäckig hohen Inflation in Euroland hat Bundesbankpräsident Joachim Nagel gleich mehrere Zinserhöhungen noch in diesem Jahr avisiert. In der Juni-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) müsse ein deutliches Signal gegeben werden, wohin die Reise gehe, sagte Nagel dem „Spiegel“ in einem am Freitag veröffentlichten Interview. „Aus meiner heutigen Sicht müssen wir dann im Juli einen ersten Zinsschritt machen und weitere in der zweiten Jahreshälfte folgen lassen.“

Nach der in Form und Klarheit sehr außergewöhnlichen Positionierung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde am vergangenen Montag ist ein hartes öffentliches Ringen um den weiteren EZB-Kurs entbrannt. Lagarde hatte nach verbreitetem Verständnis zwei Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte für Juli und September angekündigt. Damit hatte sie bei jenen, die sich auch einen aggressiveren Kurs vorstellen können, für einigen Unmut gesorgt. Spätere Aussagen von Lagarde und anderen Notenbankern hatten dann für Unsicherheit über die Frage geführt, ob sich auch Lagarde mehr vorstellen könne. Über September hinaus hatte sie Festlegungen ex ante abgelehnt.

Nagel schlägt da nun einen härteren Ton an. Hintergrund ist die rekordhohe Inflation. Im April lag die Teuerung im Euroraum bei 7,4% – ein absoluter Höchstwert seit Einführung des Euro im Jahr 1999. Im Mai dürfte es weiter hochgegangen sein, womöglich sogar an die 8-Prozent-Marke heran. Eine erste Schätzung dazu gibt es am Dienstag durch Eurostat. „Die Inflation wird nicht über Nacht sinken, das kann noch etwas dauern“, sagte Nagel nun. „Es kommt darauf an, dass die längerfristigen Inflationserwartungen gut verankert sind.“ Die verbreitete Sorge der Euro-Hüter gilt einer gefährlichen Lohn-Preis-Spirale, die die hohe Inflation verfestigen würde.

Das Münchener Ifo-Institut rechnet nun mit einem allmählichen Abflauen der deutschen Inflation ab Jahresmitte. Grund dafür ist, dass im Mai erstmals seit Monaten der Anteil der Firmen sank, die ihre Preise in den kommenden drei Monaten erhöhen wollen, wie die Münchner Forscher am Freitag mitteilten. Er fiel auf 57,8 Punkte, von 61,8 im April. Aber: „Das ist immer noch der zweithöchste Wert seit 2005“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Die Tendenz spreche dafür, dass die Monatsraten der Inflation in der zweiten Jahreshälfte langsam von über 7% auf unter 6% sinken dürften. Das wäre aber immer noch weit oberhalb des EZB-Zielwerts von 2%. Für das Gesamtjahr rechnet das Ifo-Institut mit mehr als 6% Inflation.

Kreditvergabe zieht an

Durchaus positive Nachrichten gab es am Freitag von der Kreditvergabe im Euroraum. Das Wachstum der Ausleihungen an Unternehmen legte im April von zuvor 4,1% auf 5,2% zu, wie die EZB mitteilte. Das ist das stärkste Plus seit März 2021. Die neuen Daten dürften Sorgen dämpfen, dass die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen die Kreditvergabe abwürgt – was die Konjunktur zusätzlich belasten würde.

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