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Neuer Chef für dezimierte Wirtschaftsweise

Von Stefan Reccius, Frankfurt Börsen-Zeitung, 18.3.2020 Die Folgen des Coronavirus machen auch vor den "Wirtschaftsweisen" nicht Halt. Per Videokonferenz wählte das Beratungsgremium der Bundesregierung gestern den Freiburger Ökonomen Lars Feld zum...

Neuer Chef für dezimierte Wirtschaftsweise

Von Stefan Reccius, FrankfurtDie Folgen des Coronavirus machen auch vor den “Wirtschaftsweisen” nicht Halt. Per Videokonferenz wählte das Beratungsgremium der Bundesregierung gestern den Freiburger Ökonomen Lars Feld zum Vorsitzenden. “Einstimmig”, wie es hieß, was in diesem Fall bedeutete: zu dritt. Denn dem eigentlich fünfköpfigen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) fehlen derzeit zwei seiner üblichen fünf Mitglieder.Hintergrund sind politische Reibereien um die Besetzung des Sachverständigenrats. Nach dem Ausscheiden Isabel Schnabels, die ins Direktorium der Europäischen Zentralbank gewechselt ist, und des bisherigen Vorsitzenden Christoph Schmidt läuft im Februar 2021 auch Felds zweite Amtszeit aus. Die Nachfolgedebatte ist aber längst entbrannt. Die SPD möchte Marcel Fratzscher, den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), zum Wirtschaftsweisen befördern. Der aber gilt beim Koalitionspartner CDU/CSU als nicht vermittelbar -etwa wegen seiner Kritik an der Schuldenbremse. Der Streit hat die Nachbesetzung der bereits vakanten Stellen ins Stocken gebracht.Feld übernimmt den Vorsitz also zu einer schwierigen Zeit. In ihm sehen viel Konservative das ordnungspolitische Gewissen des Sachverständigenrats. Dort ist er für die Finanz- und Sozialpolitik zuständig. Als Berater des Finanzministeriums war Feld maßgeblich an der Ausarbeitung der Schuldenbremse beteiligt, die seit 2009 Verfassungsrang hat und die Neuverschuldung des Staates eng begrenzt. Der Direktor des Walter-Eucken-Instituts gilt als führender Vertreter des Ordoliberalismus und marktwirtschaftlicher Prinzipien. Immer wieder wirbt der Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Universität Freiburg für Haushaltsdisziplin und eine Reform der Unternehmenssteuern. Deutschland werde “bald an der Spitze der Unternehmenssteuerbelastung der OECD-Länder stehen”, mahnte Feld kürzlich im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 21. Februar). Die bei vielen konservativen Ökonomen kritisierten Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) nannte Feld vertretbar, kritisierte aber deren Umfang und forderte ein Ausstiegsszenario.