Beratungen in Schweden

Neues Rohstoff-Kapitel von EU und USA braucht Zeit

Beim vierten Treffen des Handels- und Technologierats mit den USA reicht es nur für eine dünne Absichtserklärung. In den Fokus rückt der Umgang mit Künstlicher Intelligenz.

Neues Rohstoff-Kapitel von EU und USA braucht Zeit

Neues Rohstoff-Kapitel braucht Zeit

Viertes Treffen des Handels- und Technologierats von EU und USA – Arbeit an Verhaltenskodex für künstliche Intelligenz

rec Brüssel

Die EU-Kommission sieht sich mit Forderungen nach einem „transatlantischen Schulterschluss“ bei kritischen Rohstoffen konfrontiert. Doch beim vierten Treffen des Handels- und Technologierats mit den USA reicht es nur für eine dünne Absichtserklärung. In den Fokus rückt der Umgang mit künstlicher Intelligenz.

EU-Kommission und US-Regierung kommen in ihrem Streben nach einer Rohstoffpartnerschaft schleppend voran. Bei einem hochrangigen Treffen in Schweden reichte es lediglich für eine dünne Absichtserklärung. In anderen Bereichen machen die Delegationen unter Führung der Kommissionsvizechefs Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis auf EU-Seite sowie Außenminister Antony Blinken und Handelsministerin Gina Raimondo auf US-Seite Fortschritte: Beispielsweise vereinbarten sie gemeinsame Standards für das Laden schwerer Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb und treiben einen Verhaltenskodex für den Umgang mit künstlicher Intelligenz voran.

Im März hatte ein Besuch von Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Washington Erwartungen geweckt. Mit US-Präsident Joe Biden vereinbarte sie, Verhandlungen über ein Rohstoffabkommen aufzunehmen. Das ist in doppelter Hinsicht bedeutsam. Erstens gilt ein solches Abkommen als Krücke, um den Streit über die Förderung von Elektroautos in den USA im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) zu lösen. Zweitens soll ein Rohstoffclub mit Ländern von anderen Kontinenten die Versorgung mit kritischen Rohstoffen sichern.

„In Luleå hat es die EU-Kommission in der Hand, für Europa endlich ein neues Kapitel transatlantischer Industriepolitik zu schreiben“, hatte FDP-Europapolitikerin Nicola Beer gesagt. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments ist Verhandlungsführerin für ein Rohstoffgesetz der EU-Kommission. Es gelte nun, „die Weichen für eine enge, transatlantische Zusammenarbeit im Bereich der kritischen Rohstoffe zu stellen – und zwar nicht durch beidseitige Subventionslawinen, Protektionismus und Diskriminierung.“ Für sorgfältig formulierte Abschusserklärungen sei keine Zeit mehr. „Jetzt wird sich die EU-Kommission an greifbaren Ergebnissen messen lassen müssen.“

Autobauer zittern

Die gemeinsame Stellungnahme liest sich jedoch nicht wie der von Beer erhoffte „transatlantische Schulterschluss“. In allgemeinen Worten geloben Brüssel und Washington Zusammenarbeit in der Versorgung mit kritischen Mineralien, Metallen und industriellen Vorprodukten. Hier seien EU und USA gleichermaßen verwundbar und anfällig. „Die erfolgreiche Bewältigung unserer gemeinsamen Anliegen erfordert eine enge Koordinierung“, schließt die kurze Passage in der zwölfseitigen Erklärung.

Ein EU-Diplomat hatte bereits im Vorfeld die Erwartungen in Sachen kritische Rohstoffe gedämpft. Ziel sei es, demnächst greifbare Ergebnisse zu veröffentlichen. Mit anderen Worten: Die transatlantische Rohstoffpartnerschafft braucht Zeit. Insbesondere die Autoindustrie setzt darauf, dass in der EU gewonnene oder verarbeitete Rohstoffe denen aus den USA gleichgestellt werden. Das zielt auf Batterien für Elektroautos. Dann könnten auch europäische Hersteller von Subventionen profitieren, die für US-Hersteller gedacht sind, sagt Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament.

Rohstoffclub geplant

Konkretes bleiben EU-Kommission und US-Regierung auch mit Blick auf den geplanten Rohstoffclub schuldig. Sie wollen asiatische, lateinamerikanische und afrikanische Länder mit reichlich Bodenschätzen für sich gewinnen – und zwar mit einem anderen Ansatz als China: Die erste Stufe der Wertschöpfung, also die Verarbeitung von Rohstoffen, soll direkt vor Ort geschehen, um den Eindruck eines Rohstoff-Kolonialismus zu vermeiden.

Valdis Dombrovskis

Nicht bloß ausbeuten, sondern gezielt einbinden lautet gewissermaßen das Motto. Als Beispiel dient Chile, das reich an Lithium ist, ein unerlässlicher Rohstoff für E-Auto-Batterien. Innerhalb des Rohstoffclubs, so die Idee, sollen Zölle und andere Exportbarrieren fallen. Davon gibt es im Handel mit Rohstoffen seit Jahren immer mehr, wie eine Datenbank des Industrieländerclubs OECD zeigt (siehe Grafik). China, Indien, Argentinien, Russland, Vietnam und Kasachstan stechen laut OECD hervor.

Zwei Tage lang waren die führenden Handelspolitiker aus Brüssel und Washington zu Beratungen in Nordschweden zusammengekommen. Es war das vierte Treffen im Rahmen des Handels- und Technologierats (TTC). Das Format haben beide Seiten vor zwei Jahren aufgesetzt, um nach Jahren voller Handelskonflikte gemeinsame Projekte wiederzubeleben.

Dabei geht es um eine ganze Reihe von Themen. Im besonderen Fokus steht neuerdings künstliche Intelligenz (KI) und deren Risiken. Nach Angaben von US-Außenminister Antony Blinken geht es um eine Art freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie, den Einsatz selbst lernender KI-Systeme zu beschränken. Man arbeite mit Hochdruck an einem Entwurf für einen solchen Verhaltenskodex, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.

Gina Raimondo
Gina Raimondo
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