KolumneZukunftsvision für Deutschland

Nicht Sozialpolitik rettet den Standort, sondern Spitzentechnologie

Politik und Wirtschaft müssen wieder Lust an der Zukunft bekommen. Ohne Technologieführerschaft bei KI, Robotik und Quantencomputing droht der Abstieg, mahnt Wirtschaftsphilosoph Anders Indset auf dem Coface-Risikokongress.

Nicht Sozialpolitik rettet den Standort, sondern Spitzentechnologie

Deutschland muss Lust auf Zukunft kriegen

Die Politik muss vom Reagieren ins Gestalten kommen. Ohne Technologieführerschaft bei KI, Robotik und Quantencomputing droht der Abstieg.

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Wann die Deutschen die Lust auf die Zukunft verloren haben, kann man zeitlich nicht genau eingrenzen. Zumindest stellt man seit einigen Jahren fest, dass die Zukunft tendenziell eher düster als hell dargestellt wird: Von Klimakatastrophe, demografischer Zeitbombe und Atomkriegsgefahr ist stets die Rede; und seit bald drei Jahren stagniert obendrein die Wirtschaft. Von Zukunftsgewissheit und Freude auf das Morgen ist selten die Rede. Jetzt will auch US-Präsident Donald Trump sogar zurück ins Gilded Age, in die 1890er Jahre, wo der Stärkere den Ton vorgab, Korruption üblich war und einfache Arbeiter in Armut hausten.

Trump-Schock im Mittelpunkt

Auch auf dem jährlichen Kongress des Kreditrisikomanagers Coface drehte sich alles um den „Trump-Schock“ für die Weltkonjunktur, den Welthandel und die globale Ordnung. Nordeuropa-Managerin Katarzyna Kompowska verwies stellvertretend für viele andere ökonomische Indikatoren auf den Index der Handelsunsicherheit, der aktuell einen absoluten Höhepunkt erreicht hat. Und in einer verunsicherten Welt will niemand investieren, der zumindest einige Jahre vorausschauen muss.

Trump ist unterdessen weiter dabei, die regelbasierte Ordnung über den Haufen zu werfen, um als eine Art „König“ über Vasallen regieren und „Deals“ aushandeln zu können. Inzwischen, warnt Johannes Gernandt, Steuerchef beim Maschinenbauverband VDMA auf dem Kongress, würden sogar immer mehr Unternehmer ventilieren, ob das nicht auch ein Pfad für die Europäer wäre, zumal sie auch eine gewisse Stärke in die Waagschale legen könnten. Harvard-Politologin Cathryn Clüver Ashbrook hält das für unklug, weil Trumps Strategie auf eine Niederlage hinauslaufe. Viele Akteure in der Administration hätten miteinander unvereinbare Ziele. „Trumps Politik fällt bald in sich zusammen wie ein Soufflé“, sagt sie, und China reibe sich die Hände.

Agieren statt reagieren

Gleichwohl sollten die Europäer nicht darauf warten, warnt Wirtschaftsphilosoph Anders Indset. „Trump ist das Beste, was Europa passieren konnte“. Damit sei Europa „endlich wachgerüttelt worden“. Zu lange habe man sich in der Verwaltung eingerichtet, die Region quasi konserviert. Europa und Deutschland dürften nun nicht den Fehler machen, nur zu reagieren. Schließlich hätten sie technologisch riesige ungenutzte Ressourcen, die nur auf eine Vision ausgerichtet werden müssten.

Technologie muss ihm zufolge dabei der Ankerpunkt für Europa werden. Künftige Entwicklungen müssten antizipiert und technologischer Fortschritt mit offenen Armen empfangen werden. Statt ihn einzuhegen, müsse man wie China dafür eine Zukunftsagenda entwickeln und sich in Schlüsselbereichen eine ähnlich machtvolle Position erkämpfen wie die US-Tech-Konzerne, die ganze Branchen von sich abhängig machen. Mehr denn je gelte es daher, in KI, Quantencomputing, Biotech und Robotik massiv zu investieren, um in zentralen Bereichen Technologieführer zu werden. Darauf müsse die Politik alle Kraft konzentrieren – klimaschonendes Wachstum samt Wohlstand und Exporterfolge kämen dann von allein.

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