Nur Fiskalimpulse feuern das Wachstum an
Nur Fiskalimpulse feuern das Wachstum an
Forschungsinstitute senken Prognosen für 2025 und 2026 – Selbsttragender Aufschwung bleibt aus – Hoffnung auf Strukturreformen
Von Stephan Lorz, Frankfurt
lz Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft steckt weiter in der Krise fest. Nur die staatlichen Mehrausgaben für Rüstung und Infrastruktur treiben das Wachstum. Ohne zusätzliche strukturelle Impulse droht ein Rücksturz in die Rezession, warnen Ökonomen. Die Lage wäre dann weitaus schlimmer als vor dem Beschluss des Sondervermögens.
Trotz Investitionsbooster, der Freigabe zusätzlicher Finanzmittel für Rüstung und Infrastruktur sowie dem Versprechen eines „Herbsts der Reformen“ gehen Ökonomen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft noch mehr braucht, um in einen selbsttragenden Aufschwung zu kommen. Das Ifo-Institut München, das RWI Essen, das IfW Kiel und das IWH Essen haben ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr sowie 2026 durch die Bank erst einmal gesenkt. Für 2025 wird nur noch ein minimales Plus zwischen 0,1 und 0,2% erwartet, und für kommendes Jahr gehen sie von 0,8 bzw. 1,3% aus.

Das Problem: Das Wachstum hängt nach ihren Berechnungen fast ausschließlich an den von der Bundesregierung verabschiedeten Mehrausgaben für Rüstung und Infrastruktur und den damit zusammenhängenden Multiplikatoreffekten. Deutschland, fasst RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt zusammen, sei „zunehmend abhängig von staatlichen Ausgabenprogrammen“. Strukturelle Wettbewerbsprobleme würden „durch die expansive Finanzpolitik aber lediglich überlagert, nicht gelöst“.
Multiplikatoreffekte helfen
Wie das Ifo-Institut schreibt, gehen die Ökonomen für 2025 von fiskalischen Konjunkturimpulsen in Höhe von 9 Mrd. Euro aus, für 2026 dann von 38 Mrd. Euro, und 2027 nur noch von 19 Mrd. Euro. Allerdings setzen die Ifo-Forscher auch hier voraus, dass die Ausgabenmaßnahmen „konsequent und überzeugend umgesetzt“, nicht für Konsumausgaben hergenommen werden und insgesamt „die aktuelle Unsicherheit abnimmt“. Dann hätten auch diese Impulse durchaus Potenzial, „die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu hieven“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Entscheidend ist für ihn und seinem Kollegen vom RWI, dass der „wirtschaftspolitische Stillstand“ endlich aufgebrochen wird. Bleibe es dabei, so Wollmershäuser, drohten „weitere Jahre der wirtschaftlichen Lähmung und der Erosion des Unternehmensstandorts“. „Die Triebkräfte für einen selbsttragenden Aufschwung sind weiterhin schwach“, betont auch IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths. „Ohne ambitionierte Strukturreformen dürften die fiskalischen Impulse über konjunkturelle Strohfeuereffekte kaum hinauskommen.“
Dass es etwas mehr benötigt als staatliche Ausgaben, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, zeigt die Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen. Sie sind nach Angaben von Ifo-Chef Clemens Fuest aktuell wieder auf dem Niveau von 2015. Und sie gehen dem RWI zufolge auch 2025 weiter zurück, und zwar um 2,2%. Sie würden sich in den Folgejahren unter den aktuellen Umständen „nur mäßig“ erholen. Hohe Energiekosten, Bürokratielasten und mangelnde digitale Infrastruktur bremsten weiterhin die Investitionsbereitschaft der Unternehmen, mahnt das Institut.
Mehr Wachstum durch Digitalisierung
Die Prognose könnte allerdings auch besser ausfallen, wenn die Bundesregierung zusätzliche „potenzialstärkende Reformen“ einleitet, betont das Ifo-Institut. Die Forscher verweisen auf Maßnahmen zur Steigerung des Arbeitsangebots über mehr Anreize zur Ausweitung der Arbeitszeit oder der Teilhabe am Arbeitsmarkt. Oder Impulse über eine Steigerung der Produktivität über eine durchgreifende Digitalisierung und Vereinfachung des Staatswesens. Beides würde nicht nur die Konjunktur kurzfristig stimulieren, sondern auch das Produktionspotenzial langfristig heben. Solche Maßnahmen, räumen die Wissenschaftler allerdings ein, seien in der vorliegenden Prognose indes nicht berücksichtigt worden, „da ihre Umsetzung aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich erscheint“.
Arbeitslosenquote über 6 Prozent
Die Arbeitslosigkeit wird den Prognosen zufolge im laufenden Jahr steigen und die Arbeitslosenquote dürfte im Schnitt bei 6,3% liegen. Erst 2026 und 2027 wird sie demnach wieder sinken. Das Ifo-Institut sieht sie für 2026 und 2027 bei 6,1 bzw. 5,4%; das RWI bei 6,2 und 6,1%.
Ein großer Unsicherheitsfaktor für die deutsche Wirtschaft, aber auch für die Prognostiker ist die Handelspolitik. Die Auftragseingänge der Exportwirtschaft seien zwar in den vergangenen Monaten wieder etwas gestiegen, führt das RWI an, doch sei nicht zu erwarten, dass die Belastungen durch die US-Außenpolitik nachlassen. „Denn vage Zollabkommen und die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten befeuern die Unsicherheit“, betont Schmidt. Das Kernproblem der deutschen Wirtschaft sei aber „ihre anhaltend schwindende Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten“.