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Opposition ventiliert Untersuchungsausschuss zu Wirecard

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 1.9.2020 Heute geht die zweite Sondersitzung des Finanzausschusses zu dem mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard zu Ende. Sollten die Fragen der finanzpolitischen Sprecher der...

Opposition ventiliert Untersuchungsausschuss zu Wirecard

Von Stefan Paravicini, Berlin Heute geht die zweite Sondersitzung des Finanzausschusses zu dem mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard zu Ende. Sollten die Fragen der finanzpolitischen Sprecher der Oppositionsparteien zu dem milliardenschweren Bilanzskandal danach immer noch nicht beantwortet sein, steuert die Affäre wohl auf einen Untersuchungsausschuss unter AfD-Vorsitz zu. Am Montag fand der erste Teil der zweiten Sitzung des Ausschusses zu dem Thema zwar erneut unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dessen ungeachtet machten die Wortführer der Fraktionen im Ausschuss schon früh und in aller Öffentlichkeit deutlich, dass das Interesse des Parlaments an der Affäre nach den zwei Sitzungstagen in dieser Woche noch lange nicht erledigt sein dürfte.Die Fortsetzung der Aufklärungsbemühungen in einem Untersuchungsausschuss könnte schon heute Gewissheit sein, sollten sich nach Ende der Sondersitzung am Dienstagnachmittag neben FDP und Linken auch die Grünen dafür aussprechen. Gemeinsam verfügen die drei Oppositionsparteien über das nötige Quorum, um einen Untersuchungsausschuss mit 25 % der Abgeordneten im Bundestag einzusetzen. Am Montag deutete alles in diese Richtung. Die Regierung “müsste uns heute schon überraschen, dass wir auch vollständig zufrieden hier wieder rausgehen werden”, erklärte Danyal Bayaz (36), Finanzexperte der Grünen, der zusammen mit der finanzpolitischen Sprecherin Lisa Paus (51) die Richtung für die Partei im Finanzausschuss vorgibt. Nach aktuellem Stand sei “die Wahrscheinlichkeit für einen Untersuchungsausschuss hoch”, ergänzte Bayaz. FDP und Linke sind sich einigFDP und Linke hatten bereits nach der ersten Sondersitzung des Finanzausschusses zu Wirecard vor knapp fünf Wochen erklärt, dass sie einen Untersuchungsausschuss für nötig halten, und untermauerten gestern diese Position. “Wir als FDP hätten längst einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Aber wir brauchen dazu eben die Zustimmung der Linken und der Grünen”, erklärte Florian Toncar (40), der finanzpolitische Sprecher der FDP, der auch im Finanzausschuss sitzt, in einem Interview. Unmittelbar vor der Sitzung sprach er die Grünen auch noch direkt an: “Es kommt den Grünen eine besondere Verantwortung zu mit Blick auf die Kleinanleger und die Öffentlichkeit.””Wir bekommen nicht die Unterlagen, die wir brauchen”, beklagte Fabio De Masi (40), finanzpolitischer Sprecher der Linken, die begrenzten Möglichkeiten im Rahmen der Sondersitzung. Doch De Masi ist optimistisch, dass er schon bald von den Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses Gebrauch machen kann. Er habe bereits eine Flasche Rotwein gewettet, dass die Grünen am Ende mit FDP und Linke ein Mandat für den Untersuchungsausschuss beschließen werden.Blöd ist nur, dass das “Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages” vorsieht, dass die Fraktionen für den Vorsitz der Untersuchungsausschüsse im Verhältnis ihrer Stärke zu berücksichtigen sind. Nach dem Vorsitz für die Unionsfraktion im 1. Untersuchungsausschuss der Legislaturperiode zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz und dem Vorsitz für die SPD im 2. Untersuchungsausschuss zur PkW-Maut wäre im Rahmen eines 3. Untersuchungsausschusses also die drittstärkste Fraktion im Bundestag mit dem Vorsitz an der Reihe. Die AfD dürfte ihren finanzpolitischen Sprecher Kay Gottschalk (54) vorschlagen, der sich ebenfalls schon für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen hat. Er sei “das einzige wirkliche Mittel, um eine echte Aufklärung in dem Fall Wirecard zu erreichen”, ließ sich Gottschalk gestern von einem Mitarbeiter zitieren.”Herr Gottschalk selbst könnte sich sehr gut vorstellen, diesen Untersuchungsausschuss zukünftig zu leiten”, heißt es aus der AfD. Dabei haben FDP und Linke doch nur deshalb so lange auf die Grünen gewartet, um bei dem Untersuchungsausschuss nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen zu sein. Doch Toncar und De Masi sind sich einig, dass ein Untersuchungsausschuss nicht an einem Vorsitz der AfD scheitern darf. Kein Vorsitz-Automatismus “Das kann kein Argument dafür sein, dass der Bundestag seine Ermittlungsbefugnisse im größten Betrugsfall der deutschen Geschichte nicht ausübt”, sagte Toncar der “Berliner Zeitung”. Es gehe darum, die Rechte des Parlaments wahrzunehmen. Nur weil die AfD das Vorschlagsrecht für den Ausschussvorsitz habe, gebe es keinen Automatismus, jeden Vorschlag auch zu wählen. De Masi erklärte, dass es keine Pflicht gebe, einen AfD-Kandidaten zu bestätigen, sollte dieser etwa nicht “die charakterliche Eignung” haben, um die Integrität der Ermittlungen sicherzustellen.