NOTIERT IN MADRID

Personalspekulationen kochen hoch

In Spanien wird die Entscheidung für Wirtschaftsminister Luis de Guindos als zukünftigen Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank mehrheitlich mit großer Freude aufgenommen, auch wenn die linken Oppositionsparteien lieber eine Frau ins Rennen...

Personalspekulationen kochen hoch

In Spanien wird die Entscheidung für Wirtschaftsminister Luis de Guindos als zukünftigen Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank mehrheitlich mit großer Freude aufgenommen, auch wenn die linken Oppositionsparteien lieber eine Frau ins Rennen geschickt hätten. Die konservative Regierung und die meisten Medien feierten, dass nach langen Jahren endlich wieder ein Spanier einen international relevanten Posten erhält. Einige fühlen sich an die goldenen Zeiten erinnert, als man mit Javier Solana den Nato-Generalsekretär und ersten “Außenminister” der Europäischen Union stellte, Josep Borrell das Europaparlament führte und der in Ungnade gefallene Vorvorgänger von De Guindos im Wirtschaftsministerium, Rodrigo Rato, Generalsekretär des Internationalen Währungsfonds war.De Guindos sagte am Montag, dass er in den nächsten Tagen seinen Rücktritt erklären werde. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat es nach eigenen Worten mit der Benennung eines Nachfolgers nicht so eilig. Aber die Personalspekulationen sind in Madrid natürlich bereits in vollem Gange. De Guindos hinterlässt nämlich eine große Lücke: Wegen seiner langjährigen Erfahrung in der Wirtschaftspolitik und im Privatsektor, seinen für spanische Politiker erstaunlich guten Englisch-Kenntnissen, seiner umgänglichen Art und nicht zuletzt der Tatsache, dass der Spanier nach dem Ausscheiden von Wolfgang Schäuble das dienstälteste Mitglied im Ecofin war.In Madrid rechnet man eher nicht damit, dass Rajoy an der Struktur seiner Regierung etwas ändern wird und die Aufteilung zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Finanzministerium unter der Leitung von Cristóbal Montoro beibehält. In dieser eher ungewöhnlichen Konstellation fiel es De Guindos zu, in Europa die spanische Wirtschaftspolitik zu verteidigen und die Überschreitungen der Defizitvorgaben zu rechtfertigen, während die Gestaltung des Haushalts daheim Montoros Aufgabe war. Rajoy liegt viel am Gleichgewicht im Kabinett, weshalb er der Gründung eines “Superministeriums” für Finanzen und Wirtschaft, wie es etwa zu Zeiten Ratos existierte, abgeneigt scheint. Daher wird vor allem über Namen des Kandidaten oder der Kandidatin spekuliert, den der Ministerpräsident demnächst bekannt geben wird. Es spricht einiges für eine Frau, nachdem man bei der Bewerbung für die EZB-Stelle entgegen der Wünsche des Europaparlaments auf einen Mann gesetzt hat. Landwirtschaftsministerin Isabel García Tejerina schloss sich am Dienstag selbst aus, da sie in ihrem jetzigen Ressort angeblich genug zu tun hätte. Auch die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Irene Garrido sagte, dass sie sich überhaupt nicht als Nachfolgerin von De Guindos sähe. Es werden noch andere Kandidatinnen gehandelt, wie etwa die Leiterin der Wirtschaftsabteilung von Rajoy, Eva Valle, oder Emma Navarro, verantwortlich für die Finanzpolitik im Ministerium von Montoro.In den vergangenen Tagen kam der Name von Fernando Becker ins Spiel, ein enger Vertrauter Rajoys, der vor einigen Jahren Wirtschaftsminister der Region Kastilien-León und Aufsichtsrat der Europäischen Investitionsbank war. Am Montag traf der 62-Jährige mit Finanzminister Montoro auf einem Abendessen des Instituto de Estudios Económicos in Madrid zusammen. Beide waren früher einmal für diese Denkfabrik des Arbeitgeberverbandes CEOE tätig und verstehen sich offenbar gut, wie spanische Medien bekunden. Das Problem ist, dass Becker bis vor kurzem für den Energiekonzern Iberdrola arbeitete und daher in Fragen der Regulierung und Energiepolitik im Kabinett einen handfesten Interessenkonflikt hätte. Der für die Stromwirtschaft zuständige Minister Álvaro Nadal macht der Branche gerade mit Kürzungen regulierter Tarife zu schaffen. Der scharfsinnige Ökonom mit hervorragenden Deutsch-Kenntnissen ist ebenfalls ein Anwärter auf die Nachfolge von De Guindos. Nadal hatte sich im Bieterkampf um den Autobahnbetreiber Abertis zuletzt gegen das Angebot der italienischen Atlantia positioniert. De Guindos wollte sich dagegen in diesen Streit nicht einmischen, was möglicherweise mit seiner Bewerbung für die Stelle des EZB-Vize zu erklären ist, bei der wirtschaftspolitische Neutralität als Plus gewertet wird. Die Auflösung folgt.