Politik schickt Ifo-Geschäftsklima in den Keller
Politik schickt Ifo-Geschäftsklima in den Keller
Politik schickt Ifo-Geschäftsklima in den Keller
„Wirtschaft zweifelt an baldiger Erholung“ – Nachfragemangel ist zentrales Problem – Noch keine Weihnachtsstimmung im Einzelhandel
Der November wartet mit einer trüben Unternehmensstimmung auf: Das Ifo-Geschäftsklima ist unerwartet gesunken, da die Aussichten erheblich schwächer als zuletzt beurteilt werden. Und die etwas verbesserte Sicht auf die Lage hat noch nicht einmal das Minus aus dem Vormonat ausgeglichen.
ba Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft verliert im November ein Stück weit die Zuversicht. Wie schon die Einkaufsmanagerumfrage zeigt auch das Ifo-Geschäftsklima, dass es im vierten Quartal allenfalls für ein Mini-Wachstum reichen wird – nach der Stagnation im Sommer. Die Hoffnung, dass der Finanzstimulus der Bundesregierung mehr als nur ein zwei Jahre lang loderndes Strohfeuer wird, schwindet zusehends.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im November um 0,3 auf 88,1 Punkte. Ökonomen hatten hingegen mit einem neuen Zählerstand von 88,5 gerechnet. Die Firmen blickten zwar etwas optimistischer auf ihre Lage, ihre Aussichten schätzten sie allerdings skeptischer ein als zuletzt. „Die deutsche Wirtschaft zweifelt an einer baldigen Erholung“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften.
Dynamik fehlt
„Es fehlt an Dynamik, die Wirtschaft stagniert vor sich hin“, ergänzt Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. Er rechnet für den Schlussabschnitt bestenfalls mit einem Wirtschaftswachstum von 0,1% zum Vorquartal. Die Bundesbank spricht in ihrem Monatsbericht November von einem „leichten Wachstum“, das möglich sei. Allerdings profitiere die für die hiesige Wirtschaft maßgebliche Industrie wegen ihrer schlechter werdenden Wettbewerbsposition nur eingeschränkt von der wachsenden Weltwirtschaft. Weitere Bremsfaktoren sind die US-Importzölle und der stärkere Euro, die Waren „Made in Germany“ im Ausland verteuern. Zentrales Problem, so betont daher das Ifo, bleibe der Auftragsmangel – vor allem in der Industrie und im Baugewerbe. In beiden Sektoren hat sich das Geschäftsklima im November eingetrübt.
Auch beim Bau klemmts noch
Im verarbeitenden Gewerbe war der Auftragsbestand zwar leicht rückläufig, doch mit den laufenden Geschäften waren die Unternehmen zufriedener. „Insbesondere die Erwartungen bekamen einen deutlichen Dämpfer“, erklärte allerdings das Ifo und auch die Exporterwartungen fielen geringer aus als zuletzt. „Früher konnte sich Deutschland aus Krisen herausexportieren“, sagte Wohlrabe. „Das fällt nun weg.“ Die internationale Wettbewerbsfähigkeit gerate unter die Räder. „Unser Wirtschaftsmodell steht strukturell unter erheblichem Druck.“ Vor allem die wichtige Automobilindustrie kämpfe mit schleppenden Absatzzahlen und der schwierigen Umstellung auf die Elektromobilität, erinnert Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Darunter leide auch die Zuliefererindustrie, die ebenfalls in Bedrängnis sei.
Selbst in der Bauwirtschaft bleibt die Stimmung laut Wohlrabe gedämpft – und dies trotz der geplanten milliardenschweren Investitionen aus dem Infrastrukturpaket der Bundesregierung. Während die Lage einen klaren Aufwärtstrend zeige, seien die Erwartungen erneut pessimistischer ausgefallen. Die schwache Nachfrage bleibe ein bestimmender Engpass.
Wenig erbaulich fällt auch der Blick auf den Handel aus. Auch hier ist die Stimmung gesunken. Nicht nur, dass die Unternehmen die aktuelle Lage etwas schlechter beurteilten, auch rutschten ihre Erwartungen nach unten. „Vorfreude auf das Weihnachtsgeschäft sieht anders aus“, erklärte der Ifo-Umfragenchef dazu. Die Daten signalisierten einen enttäuschenden Start in die für viele Händler so wichtige Zeit, in der sie einen Großteil ihres Jahresumsatzes einfahren.
Dienstleister sind Ausnahme
„Es gibt kaum positive Signale aus der Wirtschaft“, lautet das Fazit von Ifo-Experte Wohlrabe. Denn nur im Dienstleistungssektor hat sich das Klima erneut aufgehellt. Sie beurteilten die aktuelle Lage etwas besser, während sich die Aussichten jedoch leicht eintrübten. Einen merklichen Rückschlag meldeten die Münchener Wirtschaftsforscher für den Bereich Transport und Logistik. Im Tourismus habe sich die Stimmung hingegen deutlich aufgehellt. Seit drei Jahren schwanke der Dienstleistungs-Ifo um die Nulllinie – damit sei der Sektor „sicherlich keine Krisenbranche, von ihm kommen allerdings auch keine Impulse für eine mögliche Belebung der Wirtschaft“, analysiert Ralph Solveen von der Commerzbank. Auch insgesamt könne „nach dem Hin und Her der vergangenen drei Monate beim Ifo von einem Aufwärtstrend nicht mehr die Rede sein“.
Unisono machen die Volkswirte in ihren Analysen die Politik als Teil des Problems aus. „Es wäre besser, wenn sie Teil der Lösung werden würde“, erklärte etwa LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. „Zumindest vorerst besteht noch die Hoffnung, dass die Konjunkturmaßnahmen in Deutschland wie die gute alte Ketchupflasche funktionieren“, sagte ING-Chefökonom Carsten Brzeski. „Anfangs kommt, egal was man tut, nichts heraus, bis plötzlich alles auf einmal herausspritzt.“ Die strukturellen Probleme der deutschen Volkswirtschaft würden dadurch aber nicht verschwinden.
Abwanderungsgedanken von Unternehmen dürfte in diesem Umfeld nicht der Stecker gezogen sein: „Man möchte sich gar nicht ausmalen, was geschieht, wenn der Schub durch das Fiskalpaket weitgehend ausbleibt“, mahnt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Umso wichtiger sei es, dass die Regierung endlich etwas gegen die Standortnachteile unternehme. „Auf den ausgebliebenen Herbst der Reformen darf nicht ein Winter mit Tiefschlaf folgen.“
Dass die leicht belebende Euphorie immer mehr verfliegt, ist für Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank, kein Wunder: Ernsthafte Strukturreformen durch Union und SPD seien derzeit nicht zu erkennen, wofür der Rentenstreit das beste Beispiel sei. „Tiefgreifende Veränderungen sind aber Bedingung dafür, dass die neuen Schulden dem Standort nachhaltig helfen.“
