Privatkonsum soll deutsche Wirtschaft 2024 in Schwung bringen
Privatkonsum soll deutsche Wirtschaft 2024 in Schwung bringen
Privatkonsum soll Wirtschaft in Schwung bringen
Institute erwarten fĂŒr 2023 noch ein schrumpfendes BIP â Inflation sinkt langsam weiter
ba Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft schlĂ€gt sich angesichts der globalen KonjunkturschwĂ€che, der hohen Inflation und der gestiegenen Zinsen ganz ordentlich und schwenkt im laufenden zweiten Quartal wieder auf einen Erholungskurs ein â wird aber dieses Jahr dennoch schrumpfen. Zu diesem Ergebnis kommen die am Donnerstag vorgelegten Sommerprognosen des Kiel Instituts fĂŒr Weltwirtschaft (IfW), des Deutschen Instituts fĂŒr Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin sowie des RWI â Leibniz-Instituts fĂŒr Wirtschaftsforschung.
WĂ€hrend in Kiel ein RĂŒckgang des Bruttoinlandsprodukts von 0,3% erwartet wird â in der vorherigen Prognose war es noch ein Plus von 0,5% â, rechnet das DIW mit einem Minus von 0,2%. FĂŒr das kommende Jahr wird hingegen ein krĂ€ftigeres Wachstum, und zwar von 1,8% bzw. 1,5%, vorausgesagt (s. Tabelle). Das Essener RWI wiederum senkte die Prognose fĂŒr das laufende Jahr um 0,5 Prozentpunkte auf â0,3% und erhöhte sie fĂŒr 2024 um 0,2 Punkte auf 2,0% und zeigt sich damit am zuversichtlichsten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (GrĂŒne) Ă€uĂerte sich diese Woche gleichfalls optimistisch fĂŒr die Konjunkturentwicklung im kommenden Jahr und hĂ€lt nun âein Wachstum von 1,6 oder vielleicht auch 1,9%â fĂŒr möglich. Bislang ist in der Prognose der Bundesregierung von Ende April fĂŒr 2023 ein Wachstum von 0,4% und fĂŒr 2024 von 1,6% aufgefĂŒhrt. Die Inflation dĂŒrfte weiter zurĂŒckgehen, wegen der deutlich höheren LohnabschlĂŒsse der jĂŒngsten Zeit aber etwas langsamer als zuletzt erwartet.
| IfW | DIW | RWI | ||||
| 2023 | 2024 | 2023 | 2024 | 2023 | 2024 | |
| BIP | â0,3 | 1,8 | â0,2 | 1,5 | â0,3 | 2,0 |
| Arbeitslosenquote | 5,6 | 5,3 | 5,6 | 5,5 | 5,6 | 5,4 |
| Inflationsrate | 5,8 | 2,1 | 5,9 | 2,5 | 5,5 | 2,0 |
| Finanzierungssaldo des Staates* | â1,7 | 0,9 | â2,4 | â1,4 | â1,2 | â0,4 |
| Leistungsbilanzsaldo* | 5,7 | 5,5 | 5,3 | 5,4 | 6,4 | 6,9 |
| *) in % des BIP |
Der Ausblick fĂŒr die Wirtschaft sei besser, als es die negative BIP-Rate vermuten lasse, erklĂ€rte Stefan Kooths, Konjunkturchef des IfW: âEin nach wie vor groĂes Aufholpotenzial nach der Corona-Pandemie, hohe AuftragsbestĂ€nde in der Industrie und demnĂ€chst krĂ€ftige KaufkraftzuwĂ€chse bei einem stabilen Arbeitsmarkt sind die Zutaten, die die Konjunktur stĂŒtzen.â Die Kaufkraft vieler Menschen nehme dank krĂ€ftiger VerdienstzuwĂ€chse und höherer Sozialleistungen bei gleichzeitig geringerem Preisauftrieb bereits im weiteren Jahresverlauf merklich zu. Dies verleihe dem zuletzt sehr schwachen privaten Konsum Auftrieb â Kooths erwartet daher fĂŒr das laufende Jahr zwar noch ein Minus von 1,0%, doch 2024 sollen es +2,7% werden. Davon wĂŒrden vor allem die Dienstleistungsbranchen profitieren.
âDie konjunkturelle Erholung hĂ€ngt davon ab, dass die Inflation wie vorhergesagt sinkt und der private Konsum sich dadurch belebt. Ist das nicht der Fall, könnte das BIP noch weiter zurĂŒckgehenâ, mahnte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. Die zurĂŒckhaltenden Verbraucher hatten die Wirtschaft bereits im Winterhalbjahr auf Talfahrt geschickt. Angesichts des BIP-RĂŒckgangs von 0,5% und 0,3% im vierten Quartal 2022 und zu Jahresbeginn 2023 ist die Definition einer technischen Rezession erfĂŒllt. Und auch im laufenden zweiten Quartal âdĂŒrfte die Wirtschaftsleistung allenfalls stagnierenâ, wie der Konjunkturindikator des Instituts fĂŒr Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung signalisiert. FĂŒr den Zeitraum von Juni bis Ende August weist der Indikator eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 49,3% nach zuvor 37,6% aus.
Die Erholung der deutschen Wirtschaft hĂ€ngt dem DIW zufolge derzeit mehr von heimischen Faktoren ab als vom AuĂenhandel. Zwar wĂŒrden die Exporte vor allem 2024 wieder zulegen, die Importe aber ebenso, so dass der AuĂenhandel kaum zum Wachstum beitrĂ€gt bzw. dieses sogar dĂ€mpft. âDass sich die Ausfuhren nicht dynamischer entwickeln, liegt daran, dass die fortgeschrittenen Volkswirtschaften in diesem Jahr langsamer wachsenâ, heiĂt es beim DIW.
Ungleichheit der Einkommen steigt
Zudem stellte das DIW in seiner Sommerprognose fest, dass die Ungleichheit der Arbeitseinkommen nach der Corona-Pandemie leicht zugenommen haben dĂŒrfte â und wohl in diesem Jahr auch noch gröĂer wird. Bis 2021 hatte die Ungleichheit abgenommen, vor allem in den Jahren 2010 bis 2020. FĂŒr die Jahre 2022 und 2023 sagt das neue Prognosemodell des DIW eine Unterbrechung dieses Trends voraus. In dem Modell wird eine Vielzahl gesamtwirtschaftlicher Arbeitsmarktvariablen, etwa der Anteil von Menschen in Kurzarbeit sowie Bruttolöhne und -gehĂ€lter in diversen Wirtschaftssektoren, mit Haushaltsbefragungen wie dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des DIW Berlin kombiniert. Die Berechnungen zeigen, dass das Modell eine hohe PrognosegĂŒte bei den Aussagen zum derzeitigen Stand der Ungleichheit der monatlichen Bruttoarbeitseinkommen abhĂ€ngig BeschĂ€ftigter hat. Ein solcher Nowcast sei wichtig, um wirtschaftspolitische MaĂnahmen wie die Mindestlohnhöhe oder die InflationsausgleichsprĂ€mie zielgerichtet gestalten zu können, hieĂ es beim DIW. Denn wichtige Daten zu Arbeitseinkommen wĂŒrden erst mit einer Verzögerung von mindestens 16 Monaten zur VerfĂŒgung stehen, der bisherige Blick mithin nur in die Vergangenheit gerichtet sein.
Laut DIW stiegen die nominalen Bruttolöhne und -gehĂ€lter seit 2010 â insbesondere bei den unteren 40%, wo sie von 2010 bis 2020 um knapp 40%, wĂ€hrend die mittleren Einkommensgruppen ein Plus von 25% und die Topverdiener von 19% erreichten. In diesem Jahr dĂŒrften die unteren 40% dagegen nur auf ein Plus von 2,55% kommen, die Top Ten dagegen auf 2,81%. 2022 stand dem Zuwachs in der untersten Einkommensverteilung von 5,96% einer von 6,85% in der obersten Gruppe gegenĂŒber. DarĂŒber hinaus habe die hohe Inflation 2022 âzu einem realen RĂŒckgang bei den Einkommensschwachen gefĂŒhrt, wĂ€hrend Topverdienende noch von leichten realen EinkommenszuwĂ€chsen profitiert haben dĂŒrftenâ. Der Gini-Koeffizient â der die Ungleichheit misst und international vergleichbar macht â sank izwischen 2010 und 2020 von 0,39 auf 0,37. FĂŒr das laufende Jahr erwartet das DIW wieder einen Anstieg. Der Gini-Koeffizient bewegt sich zwischen 0 und 1: Je höher der Wert, desto gröĂer die Ungleichheit.
