Putin will EU in Pakt mit China locken

Kremlchef sieht Europäer unter Kuratel der USA - Oettinger bietet Russen Technikkooperation an

Putin will EU in Pakt mit China locken

Bei den Sanktionen befinde sich Europa in der Geiselhaft der USA, sagte Kremlchef Putin in Petersburg. Der EU schlägt er vor, an einer neuen Wirtschaftsunion mit China teilzunehmen. Die EU bietet Moskau dagegen an, sich bei Industrie 4.0 zusammenzutun.Von Eduard Steiner, zzt. St. PetersburgWladimir Putin liebt es groß. Wenn schon mit der Europäischen Union kein Durchbruch in Sachen Aufhebung der Sanktionen gelingt, dann nützt er das hochkarätige Publikum auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg dafür, die Schaffung einer neuen Eurasischen Wirtschaftsunion anzukündigen. Es sei geplant, “im Juni gemeinsam mit unseren chinesischen Partnern die Verhandlungen zur Schaffung einer umfassenden Handels- und Wirtschaftspartnerschaft” zwischen der bestehenden Eurasischen Union und China offiziell zu starten, sagte er gestern. Die bestehende Eurasische Union ist derzeit auf Staaten der ehemaligen Sowjetunion beschränkt.Aber Putin hat noch Größeres im Blick, wie er im Beisein seines europäischen Ehrengastes, des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi, zu verstehen gab: Er rief nicht nur seine Nachbarstaaten auf, am Projekt mitzumachen, an dem schon etwa 40 Staaten Interesse gezeigt hätten, sondern auch die EU.Bevor es jemals so weit kommt, sind derzeit freilich noch gänzlich andere Schwierigkeiten zu lösen, die klein erscheinen mögen, aber größer sind, als es beiden Seiten recht sein mag. Was den Ausweg aus dem Sanktionenkarussell betrifft, so sagte Putin gestern, auf die EU zugehen zu wollen. “Wir sind nicht nachtragend und sind dazu bereit, unseren europäischen Partnern entgegenzukommen. Aber das kann natürlich keine Einbahnstraße sein.” Die EU bleibe der zentrale Handelspartner für Russland.Am Vortag hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker deutlich signalisiert, dass vor einer Aufhebung der vor zwei Jahren eingeführten Sanktionen zuerst die Minsker Vereinbarung erfüllt werden müsse – der Ball also bei den Russen liege. In den nächsten Tagen will die EU über eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen entscheiden.Russland bleibt bei seinem Narrativ, dass die EU von Anfang an nicht eigenständig gehandelt habe, sondern nach der Pfeife der Amerikaner tanze. Den Amerikanern würden die Sanktionen nicht schaden, von ihren europäischen Partnern aber erwarten sie Geduld, ätzte Putin: “Warum die Europäer Geduld haben, verstehe ich nicht.” Renzi für Ende der SanktionenLäge es an Renzi, würden die Sanktionen schon bald aufgehoben sein, wie aus seinem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Tass hervorgeht. Das trifft auch auf die westliche Geschäftswelt zu, die dieses Jahr wieder in größerer Zahl nach St. Petersburg gekommen ist. Die neuen Fäden werden im Stillen geknüpft.Einen erfrischenden Ausbruch wagte gestern Günther Oettinger, EU-Kommissar für digitale Wirtschaft, der auf einem Panel Russland eine Kooperation auf dem Gebiet von Industrie 4.0 bzw. 5G-Mobilfunktechnik anbot und damit großen Beifall erntete. Oettinger sieht Osteuropa inklusive Russland und die Türkei als Großraum, in dem künftig jene Wertschöpfung erreicht werden könne, die verhindern soll, dass Europa zwischen den USA und China aufgerieben werde.