Marktwirtschaft in Italien

Rom verstärkt Einfluss auf Wirtschaft

In Italien verstärkt sich der Protektionismus. Unter den Premierministern Giuseppe Conte und Mario Draghi ist der Einfluss des Staates auf Unternehmen massiv gewachsen. Die vor der Wahl favorisierten Fratelli d‘Italia wollen noch mehr davon.

Rom verstärkt Einfluss auf Wirtschaft

Von Gerhard Bläske, Mailand

Der italienische Staat hat in den letzten Jahren seinen Einfluss auf die Wirtschaft und einzelne Unternehmen kräftig ausgeweitet. Bei geplanten sowie von der EU verlangten Privatisierungen etwa der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) und der Fluggesellschaft ITA Airways (früher Alitalia) ist Rom kaum vorangekommen. Zwar will Premierminister Mario Draghi noch vor den Parlamentswahlen am 25. September eine Entscheidung über ITA Airways treffen. Doch Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI), spricht Draghi, der an der Spitze einer Übergangsregierung steht, die Legitimität dafür ab. Die Favoritin für das Amt der Premierministerin will einen „Ausverkauf“ an das Konsortium aus der Reederei MSC und Lufthansa oder den mit Air France-KLM verbündeten Investor Certares verhindern.

Möglicherweise in Frage gestellt ist auch die Privatisierung von Monte dei Paschi di Siena (MPS). Die Bank, die dringend eine Kapitalerhöhung von 2,5 Mrd. Euro braucht, hat von der EU eine Verlängerung der 2021 ausgelaufenen Frist für die Privatisierung erhalten. Draghi war es nicht gelungen, einen Partner für das schwer angeschlagene Institut, das 2017 vom Staat mit 5,4 Mrd. Euro vor dem Konkurs gerettet worden war, zu finden.

Mit der wahrscheinlichen Machtübernahme einer Rechtsregierung nach den Wahlen dürfte Italien noch weiter von einem marktwirtschaftlichen Kurs abkommen. Die FdI fordern sogar eine Verstaatlichung von Telecom Italia (TIM). Das dürfte die Kartellbehörden und den französischen TIM-Großaktionär Vivendi auf den Plan rufen. TIM-CEO Pietro Labriola ist außerdem dabei, die Ausgliederung des Festnetzgeschäfts, das in eine von der mehrheitlich staatlichen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) kontrollierte monopolistische Netzgesellschaft mit dem derzeitigen Konkurrenten Open Fiber eingebracht werden soll, vorzubereiten. Auch das ist eine nicht sehr marktwirtschaftliche Lösung.

Unter Draghi hat die staatliche CDP die Mehrheit am Autobahnbetreiber Autostrade per l’Italia (Aspi) übernommen. Und der Staat investiert des Weiteren 1 Mrd. Euro und wird Mehrheitsaktionär des Stahlkonzerns AM Investco (früher Ilva), der 2017 an Mittal verkauft worden war. Die frühere Ilva hat in den letzten Jahrzehnten viele Milliarden vom Staat erhalten. Und für die MPS hat Rom nach Schätzungen von Ex-Finanzminister Giulio Tremonti insgesamt schon rund 20 Mrd. Euro aufgewendet. Auch in ITA Airways bzw. deren Vorgängerin Alitalia haben diverse Regierungen bei ihren missglückten Rettungsversuchen in den letzten 45 Jahren mehr als 12 Mrd. Euro gesteckt. Doch ITA schreibt weiter Verluste, hat bald kein Geld mehr und braucht dringend einen Partner.

Unter Draghi wurden „zum Schutz strategischer Interessen“ die Goldene-Aktien-Regelungen massiv ausgeweitet. Als strategisch betrachtet Draghi nicht nur die Rüstung, sondern auch Banken, Versicherungen, den Lebensmittelsektor, das Gesundheitswesen, die Telekommunikation und vieles mehr. Draghi unterband eine Reihe von Übernahmen – häufig durch Chinesen.

Der angesehene frühere IWF-Ökonom Carlo Cottarelli ist besorgt über den wachsenden Staatseinfluss, vor allem „wenn der Staat länger dabeibleibt“. Ohnehin verfügt Rom über ein riesiges Beteiligungsportfolio, zu dem Beteiligungen an Eni, Enel, TIM, dem Zahlungsdienstleister Nexi, der Post und vielem mehr gehören (siehe Grafik). Die CDP erhielt unter Dra­ghis Vorgänger Conte weitere 44 Mrd. Euro zur Schaffung von Staatsvermögen.

Ziel ist es, letztlich nationale Champions zu schaffen, die es mit internationalen Konkurrenten aufnehmen können. Die Laufzeit der Beteiligungen ist auf zwölf Jahre begrenzt, was Cottarelli „merkwürdig“ findet, „denn sie kann auf Vorschlag der CDP und des zuständigen Ministers verlängert werden – ohne Anhörung des Parlaments“. Er hofft, „dass der Staat nicht auf Dauer Aktionär bleibt und die Unternehmen für politische Zwecke einspannt“.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.