Rückpralleffekt trifft Euro-Wirtschaft
Rückpralleffekt trifft Euro-Wirtschaft
Industrieproduktion gibt deutlich nach − Handelsbilanzüberschuss bricht ein
ba Frankfurt
Die Euro-Wirtschaft hat zum Start ins zweite Quartal einen Dämpfer bekommen. Die Industrie schränkte die Produktion erstmals in diesem Jahr ein und das auch noch unerwartet deutlich. Zudem ist der Überschuss der Handelsbilanz eingebrochen. Damit zeigen sich die absehbaren Rückpralleffekte im April nach dem starken Jahresauftakt markant. US-Unternehmen hatten wegen der angedrohten und verhängten US-Importzölle Bestellungen vorgezogen. Dieser Impuls fällt nun weg.
Laut des Statistikamts Eurostat hat die Industrie im Euroraum die Fertigung um 2,4% im Monatsvergleich gedrosselt. Ökonomen hatten im Schnitt einen Rückgang um 1,7% prognostiziert. Zudem verlief der März nicht ganz so gut wie zunächst gemeldet: Die Luxemburger Statistiker revidierten den Anstieg von 2,6% auf 2,4% nach unten. Den kräftigsten Rückgang gab es bei der Herstellung von Verbrauchsgütern mit 3,0%. Die Energieerzeugung gab um 1,6% nach. Aber auch von Gebrauchs-, Investitions- und Vorleistungsgütern wurde weniger produziert. Im Jahresvergleich hat die Gesamtfertigung um 0,8% zugelegt. Auch hier wurde die Erwartung eines Zuwachses um 1,2% deutlich verfehlt. Im März hatte sich noch ein Anstieg von revidiert 3,7 (zunächst: 3,6)% ergeben.
Nur Italien zeigt ein Plus
Die Industrieproduktion habe die erwartete Kehrtwende vollzogen, resümiert ING-Chefökonom Carsten Brzeski. „Ein Blick auf die einzelnen Länder zeigt jedoch große Unterschiede innerhalb der Eurozone und einmal mehr eine starke Verzerrung der Daten der Eurozone durch Irland.“ Hier meldet Eurostat ein Minus von 15,2% im Monatsvergleich. Im März waren es noch +14,3%. Die Statistiker erklären die hohe Volatilität mit der Beschaffenheit der irischen Wirtschaft. Viele multinationale Konzerne hätten ihren Hauptsitz für internationale Aktivitäten nach Irland verlegt. Diese lagerten die Produktion häufig ins Ausland aus, die aber in die nationale Industrieproduktion einbezogen würde.
Italien ist die einzige der großen Euro-Volkswirtschaften mit einem Produktionsplus, und zwar von 1,0%. In Deutschland (−1,9%), Frankreich (−1,4%) und Spanien (−0,9%) ging die Industrieproduktion zurück.
„Grundsätzlich sieht es so aus, als hätte das verarbeitende Gewerbe in der Eurozone die Talsohle durchschritten“, sagt Brzeski mit Blick auf die angekündigten deutschen Konjunkturprogramme und die europäischen Verteidigungsausgaben. Aber die Aussichten blieben unsicher: „Gerade als die Dinge wieder positiver aussahen, warfen die geopolitischen Risiken und die steigenden Ölpreise erneut einen langen Schatten auf die Hoffnungen auf eine Erholung.“
Handelsbilanzüberschuss halbiert
Den Handelsbilanzüberschuss gibt Eurostat für April mit saisonbereinigt 14,0 Mrd. Euro an − das ist nicht einmal die Hälfte der 28,8 Mrd. Euro vom März. Den Rückgang erklären die Statistiker auch mit der „erheblichen Verringerung des Überschusses in der Produktgruppe Chemische Erzeugnisse & verwandte Produkte'“. Auch hier dürfte Irland eine Rolle spielen, und zwar bei den Pharmaexporten. Die saisonbereinigten Ausfuhren des Euroraums in die restliche Welt gaben im April um 8,2% zum Vormonat auf 244,6 Mrd. Euro nach. Die Importe sanken lediglich um 3,0% auf 230,6 Mrd. Euro.
Drei Länder treffen 56,7% der Zollbelastung
Dass die Vorzieheffekte auslaufen, zeigt sich am Rückgang der Gesamtexporte der EU in die USA. Die Ausfuhren gibt Eurostat für April mit 47,6 Mrd. Euro an, im März waren es 71,5 Mrd. Euro und im Februar 51,9 Mrd. Euro. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ergibt sich aber noch ein Plus von 3,8%. Sollte es bis zum Ablauf der Frist am 9. Juli zu keiner Einigung im Zollstreit der USA mit der EU kommen, so errechnet Investors Oserver auf Basis der 2024er-Exportdaten eine Zollbelastung von 304,45 Mrd. Dollar für die EU bei pauschalen Importzöllen von 50%. Dabei würden 56,7% der Belastung die drei Länder Deutschland (81,5 Mrd. Dollar), Irland (52,0 Mrd.) und Italien (39,2 Mrd.) treffen.
In Deutschland liegt dies der Auswertung zufolge an den Exporten von Kraftfahrzeugen, Maschinen und Pharmazeutika. Irlands voraussichtliche Zollbelastung: 52,00 Mrd. Dollar. Irlands Zollrisiko wird durch den Pharmasektor bestimmt, da viele große Arzneimittelhersteller dort ihren Sitz haben. Im Falle Italien beruht das Zollrisiko vor allem auf dem Export von Industriemaschinen, gefolgt von Pharmazeutika und Fahrzeugen. Während die zehn am stärksten betroffenen Länder zusammen 271,2 Mrd. Dollar an Zollkosten zu tragen haben werden, sind es bei den zehn am wenigsten betroffenen EU-Ländern weniger als 7,11 Mrd. Dollar.

Quelle: Investors Observer