„Sammelsurium von Subventionen ohne wirtschaftspolitischen Kompass“
„Sammelsurium von Subventionen“
Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums sieht die Renaissance der Industriepolitik in Europa kritisch
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat enge Grenzen für die künftige Industriepolitik in der EU und in Deutschland gefordert. Die europaweite Renaissance der Industriepolitik sieht das Gremium kritisch. Von Schwarz-Rot erhofft sich der Beirat eine Abkehr von der Ampel-Politik.
ahe Berlin
Die Bundesregierung und die EU-Kommission sollten Industriepolitik künftig nur noch in einem sehr begrenzten und marktkonformen Rahmen einsetzen. Dies forderte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium in einem neuem Gutachten. Das unabhängige Gremium warnte vor der Gefahr, dass ansonsten durch eine Vielzahl an Fördermaßnahmen und Zielen die Industriepolitik „zu einem Sammelsurium von Subventionen ohne wirtschaftspolitischen Kompass“ verkomme. Der Beiratsvorsitzende Eckhard Janeba betonte bei der Vorstellung der Studie in Berlin, die Rücknahme exzessiver Regulierung und eine konsequente Entbürokratisierung seien für Europa und Deutschland aktuell die beste Industriepolitik.

Der Beirat sieht europaweit seit einigen Jahren eine steigende Zahl an industriepolitischen Markteingriffen. So waren etwa in Deutschland für 2024 Finanzhilfen und Steuervergünstigungen von 67 Mrd. Euro veranschlagt worden. 2021 waren es nur knapp 44 Mrd. Euro gewesen. Die Ampel-Regierung hatte milliardenschwere Subventionen für neue Chip-Fabriken und den Aufbau einer Batterieproduktion bewilligt, was für viel Kritik gesorgt hatte. Bei den staatlichen Beihilfen bezogen auf das BIP liegt Deutschland mit zuletzt 1,2% im EU-Mittelfeld.
ZEW-Präsident Achim Wambach, der das Gutachten zur Industriepolitik in Europa federführend betreut hatte, räumte ein, dass es etwa mit den neuen geopolitischen Herausforderungen sowie der grünen Transformation durchaus Aufgaben gebe, die nicht allein aus den Märkten heraus zu bewältigen seien.
„Kompass wieder herstellen“
Allerdings ließen sich die Ziele oft auch ohne Markteingriffe durch „horizontale Maßnahmen“ wie Standards und Preise besser erreichen. Wambach verwies zugleich darauf, dass viele klimapolitische Maßnahmen mit dem Inkrafttreten des zweiten Emissionshandels (ETS II) 2027 überflüssig würden. Dazu gehörten auch europäische Regelungen zum Verbrennerverbot, zu den CSRD-Berichtspflichten oder zur Taxonomie.
Das Argument von positiven Arbeitsplatzeffekten durch eine heimische Produktion lässt der Beirat nicht gelten. Wirtschaftspolitik in einer Sozialen Marktwirtschaft ziele auf Vollbeschäftigung ab, nicht auf den Erhalt von Beschäftigung in bestimmten Sektoren, hieß es. Auch das von der EU festgelegte Ziel, bis 2030 mindestens 40% des Bedarfs an sauberen Technologien in Europa zu produzieren, lasse sich nicht begründen – weder klimapolitisch, noch mit Blick auf die Versorgungssicherheit.

Foto: A. Heitker
Die schwarz-rote Bundesregierung muss nach Einschätzung des Beirates keine komplette Umkehr in der Wirtschaftspolitik der Ampel angehen, sollte nach den Worten von Janeba aber „einen Schnitt machen“. Es gehe um eine grundsätzliche Neuorientierung und darum, „den Kompass wieder herzustellen“, so der Ökonom. Wambach verwies darauf, dass die industriepolitischen Maßnahmen im Koalitionsvertrag stimmten, diese aber noch umgesetzt werden müssten.
Beide plädierten dafür, weiterhin eine regelbasierte Außenwirtschaftspolitik zu betreiben, auch wenn die USA sich nicht mehr WTO-konform verhielten. Geopolitisch gehe es in der Industriepolitik darum, Abhängigkeiten zu reduzieren und so eine stärkere Resilienz zu schaffen. Die Wissenschaftler forderten in diesem Zusammenhang auch europäische Stresstests für die Wirtschaft, ähnlich wie es sie bereits im Bankensektor gibt. Der Beirat befürwortet zugleich die Einrichtung eines „European Supply Security Office“.