„Schweden hat das erfolgreichste Modell“
Im Gespräch: Rolf Strauch
„Schweden hat das erfolgreichste Modell“
Der ESM-Chefvolkswirt über nationale Ansätze, Kleinanleger für die Kapitalanlage zu gewinnen
Der Euro-Stabilisierungsfonds ESM begrüßt Pläne für ein europäisches Gütesiegel für Altersvorsorgeprodukte für Kleinanleger. Bei den Vorbereitungen für ein solches Label lohne sich der Blick nach Schweden, sagt ESM-Chefvolkswirt Rolf Strauch. Denn das dortige Modell werde am umfangreichsten genutzt.
kjo/fed Frankfurt
Um die Finanzmärkte in Europa zu vertiefen, wäre es erstrebenswert, dass mehr Kleinanleger ihr Geldvermögen nicht auf einem Sparkonto liegen lassen, sondern einen Teil davon renditeträchtiger an Wertpapiermärkten anlegen – davon ist Rolf Strauch, Chefvolkswirt und Mitglied des Management Board des European Stability Mechanism (ESM) überzeugt. Die Initiative von sieben EU-Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, die im Juni einen Vorschlag für das europäische Gütesiegel „Finance Europe“ gemacht haben, bezeichnet Strauch im Gespräch mit der Börsen-Zeitung deshalb als „höchst willkommen“. Das geplante Label soll einen europäischen Rahmen für nationale Ansätze setzen, die zwar unterschiedlich sind, aber zugleich wesentliche gemeinsame Kriterien erfüllen. Und es soll dadurch Kleinanlegern Orientierung bieten.
Schnell umsetzbarer Vorschlag
Er begrüße den Vorstoß, weil er ein Zeichen sei für den politischen Rückhalt für die Spar- und Investitionsunion, betont der Ökonom. Und weil es sich um einen sehr konkreten Vorschlag handele, der relativ schnell umsetzbar wäre. So gut die Grundidee sei, so entscheidend sei derweil eine attraktive Ausgestaltung des Gütesiegels, unterstreicht Strauch. Noch sei das geplante Label ja nicht in den Details festgelegt. Die Mitgliedstaaten sollten darauf achten, dass es breit und flexibel angelegt und die Anlage in Aktien als Teil eines Anlagepackets gefördert werde. „Und sie sollten bei der Konkretisierung der Bedingungen im Blick behalten, dass es sich für den Kleinanleger lohnen muss, in Produkte unter diesem Label zu investieren“, argumentiert das Mitglied des ESM-Führungsgremiums. Rendite und Steueranreize seien wichtig für den Erfolg.
Strauch hat gemeinsam mit Kollegen vom ESM in einer Studie verschiedene nationale Ansätze angesehen – in Schweden, Italien und Frankreich. Es falle ins Auge, dass das schwedische Modell, das die größte Flexibilität der Kapitalanlage zulasse, mit Abstand am umfangreichsten genutzt werde. Die Hälfte der Bevölkerung habe ein Wertpapiersparkonto, das Volumen entspreche einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts. „In anderen Worten: Schweden hat – mit Abstand – das erfolgreichste Modell, wenn es darum geht Kleinanleger einzubinden“, sagt Strauch. Es wäre daher seiner Ansicht nach sicherlich kein Fehler, bei der konkreten Ausgestaltung der Spar- und Investitionsprodukte mit dem Gütesiegel zu bedenken, was in Schweden gut funktioniert habe.
Zudem sei entscheidend, dass ein privates Altersvorsorgeprodukt in die persönliche Lebensplanung hineinpasse. Vor diesem Hintergrund könne ein Mindestanlagezeitraum von beispielsweise fünf Jahren für viele potenzielle Wertpapiersparer ein erhebliches Hindernis darstellen, mahnt Strauch. Denn die Kleinanleger wüssten, dass es Lebenssituationen gebe, in denen man schnell an das Geld herankommen wolle – bei plötzlicher Arbeitslosigkeit, einem Geschäftsausfall oder beim Kauf einer Immobilie.
Stärkung der Finanzstabilität
Der ESM engagiere sich in der Diskussion um eine Mobilisierung der Kapitalanlage von Privatanlegern, weil es eine Verbindung zum Thema Finanzstabilität gebe. Ein größerer und besser diversifizierter Kapitalmarkt könne dazu beitragen, Finanzierungsströme abzusichern und die Abhängigkeit der Unternehmen von der Bankenfinanzierung zu reduzieren. Auch wenn das nicht die vorrangige Stoßrichtung sei, stärke das Engagement von Kleinanlegern am Anleihemarkt die Nachfrage nach europäischen Titeln. Europäische Schuldpapiere seien zweifelsohne eine sehr gute Anlage, da sie mit Top-Kreditbonität ausgestattet sind. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie zu einem Bestandteil dieser Portfolios werden, quasi als ein Sicherheitsanker mit stabilen Anleiherenditen“, so Strauch.
Ausgestaltung entscheidend
Noch lasse sich nicht sagen, welche Auswirkungen ein Gütesiegel für europäische Altersvorsorgeprodukte für Kleinanleger auf die Kapitalmärkte haben werden, etwa ob stärker der Aktienmarkt oder der Anleihemarkt berührt werde. Das hänge von der späteren konkreten Ausgestaltung ab und in welcher Form die Anleger an das Produkt herangeführt werden, also welche Steueranreize für welche Assets geschaffen werden.