Schweizer Industrie vor härteren Zeiten

Die Konjunktur in Deutschland schwächelt. Darunter leidet auch die Schweizer Industrie.

Schweizer Industrie vor härteren Zeiten

Schweizer Industrie vor harten Zeiten

„Grundschlechte Stimmung“ in Deutschland zieht auch helvetische Firmen nach unten

dz Zürich

„Wir wünschen Deutschland alles Gute“. Die Glückwünsche, die der Zürcher Martin Hirzel am Dienstag in nördliche Richtung abschickte, waren durchaus eigennützig gemeint. „Deutschland ist unser bester Kunde“, erklärte der Präsident des Schweizer Industrieverbandes Swissmem anlässlich der halbjährlichen Medienkonferenz.

Die Schweiz ist besorgt über den wirtschaftlichen Zustand des großen Nachbarn. Die Tech-Industrie, wie sich die Metall-, Elektro- und Maschinenbranche neuerdings nennt, beobachtet mit Unbehagen die sich laufend verschlechternde Lage ihrer Abnehmer in Deutschland.

„Wir erleben eine grundschlechte Stimmung“, erklärte Hirzel die Besorgnis. Die hohen Energiekosten führten inzwischen offenbar zu Produktionsverlagerungen. Dass in Deutschland bereits von Deindustrialisierung die Rede ist, sei auch für die Schweizer Industrie wenig hilfreich. „Ist die Stimmung schlecht, werden auch keine Investitionen getätigt“, sagte Hirzel.

Deutlich zum Ausdruck kommt das Problem auch in der Statistik der Schweizer Tech-Industrie: Zwar sind die Verkäufe im ersten Semester des laufenden Jahres noch um 0,7% gestiegen, doch nur dank den ersten drei Monaten. Im zweiten Quartal wurden schon 3,4% weniger fakturiert. „Wir sehen unsere Firmen vor einer dunklen Wolkenfront“, hieß es auf der Konferenz. Noch liegt die durchschnittliche Kapazitätsauslastung der Branche mit ihren 330.000 Beschäftigten in der Schweiz mit 88,2% über dem langjährigen Mittel. Doch dieses dürfte spätestens bis zum Jahresende erreicht oder gar unterschritten werden.

Diskussion um Subventionen

Die Sorgen, die man sich in der Schweizer Tech-Industrie um Deutschland macht, werden durch einige Schlüsselzahlen leicht verständlich. Die Firmen exportieren 80% ihrer Güter, und ein Viertel dieser Exporte geht nach Deutschland. Das ist fast doppelt so viel wie in die USA, den zweitwichtigsten Absatzmarkt, und gar dreieinhalbmal mehr als in das drittplatzierte China. Dementsprechend bewegen sich die mit dem Einkaufsmanagerindex gemessenen Stimmungswerte in der Industrie der beiden Länder derzeit etwa gleichauf auf einem im internationalen Vergleich weit unterdurchschnittlichen Niveau.

Auf eine Vertiefung der Gründe für das im europäischen Vergleich „spezifische Stimmungstief“ in Deutschland verzichtete der Verband. Zur Sprache kam aber der Umstand, dass die in Deutschland besonders starke und für die Schweizer Zulieferer speziell wichtige Werkzeugmaschinenindustrie kaum in den Genuss des derzeitigen Subventionsregens komme. Die staatlichen Geldverteiler hätten andere Sektoren wie die Batterienherstellung ins Visier genommen, die vorwiegend familienbeherrschten, mittelständischen Unternehmen in der Fertigungsindustrie aber außen vor gelassen.

Hirzel meinte, die Bedeutung der EU als wichtigster Handelspartner der Schweiz könnte in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen, wenn sich die globalen Machtblöcke weiter vom Freihandel verabschieden sollten. Die Neuverhandlung der Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz sei deshalb dringender denn je, sagte er an die Adresse der Schweizer Regierung. In den breiteren Bevölkerungskreisen scheint man dies als weniger dringlich zu sehen. Das Thema ist im anziehenden Wahlkampf im Blick auf die Parlamentserneuerung am 22. Oktober jedenfalls noch kaum präsent.

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