Insolvenzstatistik von Creditreform

So viel Insolvenzen wie seit zehn Jahren nicht

Die schwächelnde Konjunktur fordert ihren Tribut: Im ersten Halbjahr rutschen so viele Unternehmen in die Pleite wie zuletzt vor zehn Jahren. Auch die Verbraucherinsolvenzen legen weiter zu.

So viel Insolvenzen wie seit zehn Jahren nicht

So viel Insolvenzen wie seit zehn Jahren nicht

Creditreform warnt vor Verlust von Kompetenz und Know-how – Schadenssumme steigt

ba Frankfurt

Rezession, schwache Nachfrage, gestiegene Kosten und Unsicherheit: Immer mehr Firmen geraten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im ersten Halbjahr gab es so viele Insolvenzen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Allerdings hat die Dynamik nachgelassen, wie die Auskunftei Creditreform konstatiert. Vor allem im Mittelstand und im verarbeitenden Gewerbe sind die Fallzahlen kräftig gestiegen. Auch die Schadenssumme und die Zahl betroffener Jobs haben zugenommen. Bis Jahresende erwarten die Experten einen weiteren Anstieg der Firmenpleiten. Zudem warnen sie vor dem Verlust von Kompetenz und Know-how.

Weiterer Anstieg erwartet

Im ersten Halbjahr kletterten die Insolvenzen um 9,4% im Jahresvergleich auf 11.900. Im vergangenen Jahr gab es bereits ein Plus von 28,5%. „Trotz einiger Hoffnungssignale steckt Deutschland weiter in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Strukturkrise“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. „Besonders die finanziellen Reserven schwinden, Kredite werden teils nicht mehr verlängert und immer mehr Betriebe geraten in ernsthafte Schwierigkeiten.“ Das Insolvenzrisiko bleibe hoch, da sich die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf nicht nennenswert erholen werde.

„Kettenreaktion“

Dass die Verbraucherinsolvenzen wie schon seit drei Jahren weiter gestiegen sind – um 6,6% auf 37.700 – erklärt Hantzsch mit einer Kettenreaktion: „Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten sowie Arbeitsplatzverluste, insbesondere in der Industrie, setzen viele Haushalte massiv unter Druck.“ Die Zahl der betroffenen Jobs stieg vor allem wegen Großinsolvenzen um 6,0% auf rund 141.000. Die beiden jüngsten prominenten Fällen – der Pflegeheimbetreiber Argentum Pflege und die Haushaltswarenkette Kodi Diskontläden GmbH – zählten jeweils über 2.000 Beschäftigte.

Die wirtschaftlichen Folgen der Insolvenzen bezeichnete Hantzsch als erheblich. Die geschätzten Forderungsausfälle bezifferte er auf rund 33,4 Mrd. Euro. In allen vier Hauptwirtschaftsbereichen legten die Fallzahlen zu. Die Bandbreite reichte von 1,7% im Baugewerbe bis hin zu 17,5% im verarbeitenden Gewerbe. Kaufzurückhaltung und harter Online-Wettbewerb sorgten für ein Plus von 13,8% im Handel. Die Dienstleister sind mit 58,5% der am stärksten betroffene Bereich, hier kletterte die Fallzahl um 9,1%.

Automobilzulieferer in der Bredouille

Creditreform hat zum Halbjahr die Automobilzulieferer genauer unter die Lupe genommen. Die Branche kämpft derzeit mit schwacher Nachfrage, steigenden Energie- und Rohstoffkosten sowie erschwertem Zugang zur Finanzierung. Seit 2020 kam es bundesweit zu 155 Insolvenzen in diesem Segment – allein 19 davon im laufenden Jahr 2025. Schätzungsweise 43.000 Beschäftigte waren in den vergangenen knapp fünfeinhalb Jahren direkt betroffen. „Die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Automobilzulieferer hängt maßgeblich davon ab, wie erfolgreich der Transformationsprozess hin zur Elektromobilität und Digitalisierung bewältigt wird. Aktuell ist die Branche stark durch Unsicherheit, Konsolidierung und erheblichen Anpassungsdruck geprägt“, so Hantzsch.

Ifo-Autoklima sinkt

Wie sehr die Automobilindustrie im Stimmungstief gefangen ist zeigt auch der dritte Rückgang des Geschäftsklimas in Folge. Im Juni ging es um 0,5 auf minus 32,2 Punkte nach unten. „Die unsichere Situation im Welthandel trifft auf ohnehin schon verschärfte Bedingungen auf den weltweiten Absatzmärkten“, sagt Ifo Branchenexpertin Anita Wölfl. „Für Optimismus sind die Signale aus dem Ausland noch zu unklar.“ Während die aktuelle Geschäftslage schwächer beurteilt wurde, stiegen die Erwartungen leicht an. Der Auftragsbestand wurde zwar deutlich besser als im Vormonat bewertet, der Indikator bleibt aber im negativen Bereich. Bei den Exporterwartungen setzt sich laut Ifo das Auf und Ab der vergangenen Monate fort – diesmal mit einem Rutsch auf minus 13,7 Punkte, nach minus 2,0 Punkten im Mai. 

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