NOTIERT IN FRANKFURT

Sommer des Missvergnügens

Geht noch was am Standort Deutschland? Wer dieser Tage Erlebnisse etwa mit der Bahn, Handwerkern oder Logistikern auf sich wirken lässt, kommt leicht zu dem Schluss: nicht viel. Nun ist es längst peinlich, über die Deutsche Bahn zu lästern, als...

Sommer des Missvergnügens

Geht noch was am Standort Deutschland? Wer dieser Tage Erlebnisse etwa mit der Bahn, Handwerkern oder Logistikern auf sich wirken lässt, kommt leicht zu dem Schluss: nicht viel. Nun ist es längst peinlich, über die Deutsche Bahn zu lästern, als Journalist sollte man es in eigener Sache eigentlich gar nicht tun. Doch sei es heute ausnahmsweise gestattet, weil die Bahn einen Weg gefunden zu haben scheint, zwar nicht ihre Probleme zu lösen, aber bei den Kunden Empathie zu erzeugen. Als neulich der wohl ausgebuchte ICE von Hannover nach Berlin mit 58 Minuten Verspätung (bravo: knapp vor der Entschädigungsgrenze) und mal wieder mit einem statt zwei Zugteilen fuhr, weshalb es für die Hälfte der Passagiere nur Stehplätze gab, kam der Zugchef gar nicht mehr aus dem Entschuldigen raus. Und er warb so was von salbungsvoll um Nachsicht für all die Pannen, dass die Reisenden regelrecht ergriffen waren. Wenn wir uns nicht täuschen, hatten viele Tränen in den Augen, und ja, die Leute haben gerne zwei Stunden gestanden, manche, die von Köln kamen, länger.Zurück zu Hause, brauchte der Garten einen Zaun. Anruf beim ersten Handwerker: Wir würden das seit drei Wochen vorliegende Angebot gerne annehmen. Antwort: Das sei die “Frühjahrsaktion” gewesen (wovon nie die Rede war), nun koste der Zaun 25 % mehr. Danke, aus Prinzip kein Interesse. Frage des zweiten Handwerkers: “Soll das in diesem Jahr sein?” Ein befreundetes Paar, das seit Monaten versucht, sein Bad modernisieren zu lassen, erlebt das Gleiche. “Handwerker, die nicht mindestens bis zum Jahresende ausgebucht sind, sind sowieso unseriös”, sagt der Architekt. Wenigstens am Bau brummt Europas größte Volkswirtschaft – mit unschönen Nebenwirkungen.Überfordert ist auch die Deutsche Post DHL. Das am 14. Juni (!) “in der Region des Empfängers” angekommene Päckchen, das – so steht es bis heute in der Sendungsverfolgung – nun zur Zustellbasis transportiert werde, ist seither verschollen. Beim vierten Telefonat mit der Beschwerdestelle hängen wir 18 Minuten in der Warteschleife. Derweil ist die Telekom nicht willens oder in der Lage, in einer modernen Wohnung im Ballungszentrum für Internetzugang in allen Zimmern zu sorgen. Dass beide Festnetztelefone kurz nach Ablauf der Garantiezeit den Geist aufgeben, ist gewiss Zufall, Kulanz gewährt die Telekom aber nicht. Dann lässt uns das Steuerprogramm ein Anschreiben formulieren, das – nicht erkennbar – via Elster nicht ans Finanzamt übermittelt wird. Das sei normal, heißt es nach tagelangen Versuchen der Kontaktaufnahme mit der Hotline. Und nur nebenbei, weil es nicht den Standort Deutschland betrifft: Das Navi der niederländischen TomTom macht ausgerechnet im Holland-Urlaub schlapp.Also ein Sommer des reinen Missvergnügens? Nein. Ein bisschen was funktioniert noch. Der Service von Unitymedia ist ausnehmend kompetent und freundlich (das war nicht immer so), bei der Renault Bank Direkt hat man in kürzester Zeit hilfsbereite Menschen am Telefon, und der dritte Handwerker baut den Zaun fachgerecht, schnell und nicht zu teuer auf. Geht doch.