Konjunktur

Starke Wachstums­unterschiede

Die Euro-Wirtschaft hat zum Jahresende nicht so kräftig zugelegt wie erwartet. Der genaue Blick offenbart erhebliche Wachstumsunterschiede, so dass Ökonomen das Plus von 0,3% als respektabel bezeichnen.

Starke Wachstums­unterschiede

ba Frankfurt

Die vierte Coronawelle und die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante haben die Euro-Wirtschaft zum Jahresende schwer getroffen. Dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Quartalsvergleich um 0,3% zugelegt hat, verdeckt jedoch die immensen Dynamikunterschiede im gemeinsamen Währungsraum (siehe Grafik). Ökonomen erwarten aber weiterhin, dass das Tempo im Frühjahr wieder anzieht – wenn die coronabedingten Restriktionen entfallen, sich die Engpässe auf der Angebotsseite auflösen und die Verbraucher mehr ausgeben –, auch wenn die hohe Inflation und die stark gestiegenen Energiekosten den Konsum bremsen dürften.

Nach dem Anstieg um 2,3% im dritten Quartal hatten Volkswirte für den Schlussabschnitt ein Plus von im Schnitt 0,4 % erwartet. KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib bezeichnete die breiten Impfkampagnen als „Schlüssel zur erfolgreichen Erholung“, während die finanzielle Stabilisierung von Haushalten und Unternehmen durch die umfassenden wirtschaftspolitischen Maßnahmenpakete der Grundstein war. Aus den bereits veröffentlichten Länderdaten lässt sich schließen, dass die positiven Wachstumsimpulse vom öffentlichen Konsum und den Lagerinvestitionen kamen, wohingegen der private Konsum gebremst hat. Details veröffentlicht Eurostat am 15. Februar.

Corona-Differenzen

„Dass aber trotz Omikron, Lieferkettenproblemen und Energiepreisanstieg überhaupt ein positives Wachstum zustande kam, darf schon als erfreulich bezeichnet werden“, urteilte Bernd Krampen von der Nord/LB. Frappierend seien allerdings die bemerkenswerten Divergenzen zwischen den Ländern der Eurozone: Das deutsche BIP etwa schrumpfte – vor allem wegen der spürbaren Schutzmaßnahmen – um 0,7% zum Vorquartal. Auch in Österreich zeigte der Lockdown vom November/Dezember deutliche Spuren: Mit einem Minus von 2,2% ist die Alpenrepublik das Schlusslicht. Für die Niederlande, die das wirtschaftliche und soziale Leben ebenfalls deutlich heruntergefahren haben, wird ebenfalls ein Minus erwartet.

Spürbar erholt haben sich hingegen die Volkswirtschaften aus dem Süden und Westen des Euroraums, in denen das Infektionsgeschehen bis zum Jahresende weitgehend unter Kontrolle geblieben war, so dass es hier zu keiner merklichen Verschärfung der Coronaregeln kam, erläuterte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Die Spitzenposition belegt Spanien mit einem Wachstum von 2,0%, gefolgt von Portugal (+1,6%), Frankreich (+0,7%) und Italien (+0,6%).

Positiver Ausblick

Schon im laufenden, „aber vor allem in den folgenden Quartalen dürfte das Wachstum innerhalb des Währungsraumes wieder wesentlich synchroner ausfallen“, erwartet Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die jüngste Erholung wichtiger Frühindikatoren lasse hoffen, dass sich Deutschland bereits in den ersten drei Monaten des Jahres zurück in den positiven Wachstumsbereich kämpfen könne. Für die Eurozone könne 2022 zu einem guten Wachstumsjahr werden, erwartet Gitzel. 2021 hatte die Euro-Wirtschaft noch um saison- und kalenderbereinigt 5,2% zugelegt. Die EU-Kommission erwartet für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 4,3%, 2023 sollen es dann 2,4% werden. Neben den privaten Verbrauchern, die zumindest einen Teil der immer noch stark erhöhten Sparquote in den Konsum stecken dürften, setzen Ökonomen ihre Erwartungen vor allem auf die verbesserten Aussichten der Industrie. So haben zuletzt die Einkaufsmanagerumfragen be­reits erste Lockerungsanzeichen bei den Lieferketten offenbart. Für Gegenwind sorgen könnte allerdings neben dem Auftreten neuer Coronavirusvarianten eine erneute Verschärfung des Lieferkettenproblems oder auch eine Eskalation der Ukraine-Krise.