Geldpolitik

Steigende Preise setzen Bank of Japan unter Druck

Die Japaner erleben nach zwei Jahrzehnten stagnierender Preise Ungewohntes: Waren werden teurer. Das löst eine Debatte über eine Rückkehr der Inflation aus – und facht Spekulationen über eine Zinserhöhung an.

Steigende Preise setzen Bank of Japan unter Druck

mf Tokio

In Japans Supermärkten reiben sich die Menschen die Augen: Seit dem Jahreswechsel sind Basiswaren wie Toastbrot und Sojasoße plötzlich teurer. Laut einer Umfrage der Regierung sind die Inflationserwartungen der Verbraucher auf Jahressicht auf 2,2% gestiegen, den höchsten Stand seit fast sieben Jahren. Dabei gilt Japan als eines der letzten Bollwerke gegen die Inflation. Seit über zwei Jahrzehnten sind die Preise dort kaum gestiegen.

Die Entwicklung setzt die Notenbank unter Handlungsdruck. Auf ihrem Treffen zum Wochenanfang wollen die Notenbanker laut Medienberichten erstmals seit langem über Aufwärtsgefahren bei den Preisen sprechen. Bisher fokussierte die Bank of Japan (BoJ) auf Abwärtsrisiken, gar eine Rückkehr zur Deflation. Morgan Stanley spekulierte, die BoJ spreche künftig von „ausgeglichenen“ Preisrisiken.

Gouverneur Haruhiko Kuroda hatte eingeräumt, die Inflation nähere sich wegen der weltweit gestiegenen Rohstoffkosten seiner Zielrate von 2%. Sein Stellvertreter Masayoshi Amamiya, der als aussichtsreichster Anwärter auf die Nachfolge von Kuroda gilt, erklärte, der Preisdruck nehme schrittweise auch in Japan zu. Im Zuge des Aufschwungs könnten die Unternehmen höhere Kosten an die Verbraucher weitergeben.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters diskutiert die Notenbank intern schon darüber, wie frühzeitig sie Signale für eine Abkehr von der Nullzinspolitik sendet, selbst wenn die Zielrate von 2% noch nicht erreicht sei. Bisher hatte die Bank of Japan eine Zinserhöhung vor 2023 ausgeschlossen. Als Reaktion auf den Bericht verteuerte sich der Yen, nachdem die japanische Währung in Er­wartung einer hohen Renditedifferenz zwischen japanischen und US-Staatsanleihen­ auf ein Fünfjahrestief gefallen war (siehe Chart).

Trotz der Anzeichen für eine Rückkehr der Inflation rechnen die meisten Analysten nicht mit einem Kurswechsel in der Geldpolitik. „Die BoJ diskutiert das Timing von Zinsschritten – wirklich?“, schrieb Derek Halpenny, Chefanalyst der MUFG Bank, mit sarkastischem Unterton. Es gebe Hinweise auf Inflation in Japan, aber das Bild dort sehe ganz anders aus als im Rest der Welt, betonte Hal­penny. Eine Zinserhöhung oder eine Änderung der Zinskurvenkontrolle vor dem Abgang von Gouverneur Kuroda im April 2023 wäre eine „große Überraschung für uns“, meinte Masamichi Adachi von UBS Japan. Der Analyst erwartet eine etwas höhere Inflationsrate von 1,1% im zweiten Quartal, weil sich wegen der rollenden Omikron-Infektionswelle des Coronavirus die geplanten Beihilfen für Binnenreisen verzögern würden. Die Teuerungsrate würde dann geringer gedämpft.

Unternehmen zögern

Dennoch scheint die Rückkehr zur Inflation keine sichere Sache zu sein. Zum einen stemmt sich Premier Fumio Kishida schon mit Subventionen für Fischer und Spediteure gegen die erhöhten Energiekosten. Zum anderen wagen sich bislang nur Marktführer mit viel Preismacht aus der Deckung und testen die Akzeptanz der Konsumenten: So erhöhte der Schreibwarenriese Kokuyo die Preise von Scheren und Tackern um 8%, aber nur bei jedem sechsten Produkt. Dagegen versicherte die Billigtextilkette Uniqlo, trotz Kostendruck werde man möglichst wenige Preise anheben.

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