Stiftung Marktwirtschaft mahnt Konsolidierung an
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Die Stiftung Marktwirtschaft warnt davor, die Corona-Pandemie als Ausrede für mangelnde Konsolidierung der Staatsfinanzen zu missbrauchen und die dringend nötigen Maßnahmen auf die lange Bank zu schieben. „Ohne Reformen in den von der Bevölkerungsalterung betroffenen sozialen Sicherungssystemen werden die jährlichen staatlichen Haushaltsdefizite in vielen Ländern zwangsläufig massiv ansteigen“, warnt Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft, vor der Presse bei Vorlage des EU-Nachhaltigkeitsrankings. „Eine echte Konsolidierung wird nur gelingen, wenn neben den expliziten Schulden auch der Abbau der impliziten Schulden endlich ernsthaft in Angriff genommen wird“, konstatierte er.
Der Aufruf gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die meisten EU-Länder. Im EU-Nachhaltigkeitsranking untersuchen die Stiftung Marktwirtschaft und das Forschungszentrum Generationenverträge an der Universität Freiburg die expliziten (sichtbaren) und impliziten (künftigen) Staatsschulden. In der Analyse der EU-Länder werden die Ausgaben für Rente, Gesundheit, Pflege und Bildung in den kommenden Jahrzehnten hochgerechnet. Hauptgrund für die teils sehr hohen impliziten Schulden sei der für fast alle Länder projizierte überproportionale Anstieg der altersabhängigen Ausgaben für Rente, Gesundheit und Pflege, bemerkte Raffelhüschen.
Schlechtes Mittelfeld
Deutschland liegt laut der Studie mit einer Gesamtverschuldung von 164% des BIP im Mittelfeld – zwischen Italien mit 145% und Spanien mit 198%. Die trotz hoher expliziter Verschuldung recht guten Positionen von Italien, Spanien und Frankreich mit Gesamtschulden von 210% führt die Stiftung auf dort bereits beschlossene Rentenreformen zurück, die langfristig das Rentenniveau drastisch senken. Voraussetzung für die Konsolidierung sei, dass die Reformen politisch durchgehalten würden. Raffelhüschen erinnerte an die Aussetzung des Nachhaltigkeitsfaktors in Deutschland und die Einführung der abschlagfreien Rente mit 63. Dies habe frühere Reformen zurückgedreht.
Spitzenreiter im Ranking sind Griechenland, Estland und Kroatien, die negative Nachhaltigkeitslücken ausweisen und damit über ein „Staatsvermögen“ verfügten. In Griechenland sei dies auf die von der EU erzwungenen Reformen nach der Finanzkrise zurückzuführen. Vorstandsmitglied Michael Eilfort warnte davor, während der französischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 den Stabilitätspakt mit den Maastricht-Kriterien abzuschaffen – auch wenn sich aktuell niemand daran halte.