Stimmung enteilt den Fakten
Stimmung enteilt den Fakten
Auftragsbestand der deutschen Industrie stabil – Rückgang in wichtigen Branchen – „Weitere Hürden hinzugekommen“
ba Frankfurt
Die Stimmung in der deutschen Industrie hellt sich zwar auf, in den harten Daten spiegelt sich dies allerdings nicht wider. Neuester Beleg ist der Auftragsbestand, der im Juni laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) preis-, saison- und kalenderbereinigt im Monatsvergleich unverändert geblieben ist. Auch wenn die Industrieunternehmen etwas zuversichtlicher auf die kommenden Monate blicken, bleibt die Unsicherheit trotz des Zolldeals der USA mit der EU – denn die Details sind weiter ungeklärt. Ganz zu schweigen von dem Zollsatz von 15%, der nun auf die meisten Waren, die aus der EU in die USA eingeführt werden, fällig ist.
Inland bremst
Ursächlich für die Stagnation des Auftragsbestands waren die offenen Aufträge aus dem Inland, die um 0,6% zum Vormonat nachgaben. Der Bestand an Aufträgen aus dem Ausland erhöhte sich den Statistikern zufolge hingegen um 0,4%.
„Der Auftragsbestand bleibt gefestigt, im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich ein klares Plus von 5,1%“, kommentiert Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Wegen schlechter Stimmung würden Unternehmen die Kapazitätsauslastung aber kaum erhöhen. Im Juli stieg die Kapazitätsauslastung nur geringfügig von 77,0% auf 77,2%, wie das Ifo Institut bei der monatlichen Geschäftsklimaumfrage ermittelte. Die quartalsweise Umfrage der EU-Kommission ergab einen Zuwachs vom zweiten auf das dritte Quartal von 76,9% auf 77,1%.
„Weitere Hürden hinzugekommen“
Auch wegen der „unverändert nachteiligen Standortbedingungen“ klagen noch immer viele Unternehmen über eine dünne Auftragslage, ergänzt Krüger. Im Juli war der Anteil der Industrieunternehmen mit fehlenden Aufträgen von 36,8% auf 38,3% gestiegen. Besonders stark betroffen waren der Ifo-Umfrage zufolge die hierzulande gewichtigen Branchen Automobilbau (42,6%) und Maschinenbau (46,1%). „Mit der schwächer laufenden Weltwirtschaft und dem festeren Euro sind weitere Hürden hinzugekommen“, mahnt Krüger.

Schon im Juli hatte rund jedes vierte Industrieunternehmen dem Ifo einen Rückgang seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Ländern außerhalb der EU gemeldet, im innereuropäischen Wettbewerb sind es 12,0%. „Die deutsche Industrie kämpft mit strukturellen Nachteilen – etwa bei Energiepreisen, Regulierung und Investitionsbedingungen“, sagte dazu Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo Umfragen. „Viele Unternehmen verlieren dadurch im globalen Vergleich an Boden.“ In keiner Industriebranche habe sich die Wettbewerbsfähigkeit zuletzt verbessert.
Auslandsnachfrage hält an
Als Lichtblick gilt allerdings, dass die Auslandsnachfrage auch im Frühsommer anhält. In den ersten vier Monaten des Jahres speiste sich der Anstieg der Exportaufträge aus vorgezogenen US-Importen in Erwartung der höheren US-Importzölle auf Waren aus der EU. Diese Entwicklung sei „ein Indiz dafür, dass sich die Lage fundamental bessert“, erklärte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, zur Einkaufsmanagerumfrage vom Juli. Bei den vom Ifo abgefragten Exporterwartungen hielten sich im Juli positive und negative Antworten die Waage.
In den einzelnen Branchen gab es erneut deutlich unterschiedliche Entwicklungen des Auftragsbestands. So meldeten gerade die Automobilindustrie (–1,4%) und der Maschinenbau (–0,8%) Rückgänge im Monatsvergleich. Der sonstige Fahrzeugbau, zu dem Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge gehören, meldete einen Zuwachs von 1,9%.
Reichweite legt zu
Zugelegt hat im Juni hingegen die Reichweite des Auftragsbestands – und zwar auf 7,9 Monate. Im Mai waren es noch 7,8 Monate. Die Reichweite gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Auftragseingänge theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten.