Rüstungspolitik

Studie: Europäische Militärgüter zu teuer

Die EU-Länder geben zwar erheblich mehr Geld für Rüstung aus. Doch die Gefahr ist groß, dass wegen nach wie vor zu geringer Losgrößen, Preissteigerungen mangels Wettbewerb und einem fehlenden Fokus auf neue Technologen die Verwundbarkeit gegenüber Russland weiter bestehen bleibt.

Studie: Europäische Militärgüter zu teuer

Studie: Europäische Militärgüter zu teuer

Kieler Institut und Bruegel kritisieren fragmentierte Rüstungspolitik und fordern europäische DARPA

Die EU-Länder geben zwar erheblich mehr Geld für Rüstung aus. Doch die Gefahr ist groß, dass wegen nach wie vor zu geringer Losgrößen, Preissteigerungen mangels Wettbewerb und einem fehlenden Fokus auf neue Technologen die Verwundbarkeit gegenüber Russland weiter bestehen bleibt. Außerdem hinken sie bei der Rüstungsforschung hinterher.

lz Frankfurt

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Europa zu einer Neubewertung der Rüstungspolitik geführt. Die Ausgaben für Militärgüter sind daraufhin massiv gestiegen. Deutschlands Rüstungsetat soll von zuletzt rund 2% auf etwa 5% der Wirtschaftsleistung zulegen. Doch die Gefahr ist groß, dass ein Großteil der Anstrengungen verpufft, warnt das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) in einer Studie. Die Wissenschaftler sprechen sogar davon, dass Europas Aufrüstung „zu scheitern droht“.

Kommende Woche wollen die Nato-Staaten über die Bedrohung durch Russland, die Lage in der Ostsee, wo nach Meinung des deutschen Außenministers Johann Wadephul sogar die „reale Gefahr“ einer Konfrontation besteht, und die Anhebung der Rüstungsausgaben reden. Während die allermeisten Nato-Staaten das Fünf-Prozent-Ziel akzeptieren, stellt sich aktuell noch der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez strikt dagegen.

Hohe Kosten für Rüstung

Wie die Kieler Ökonomen und das Brüsseler Bruegel-Institut auf der Basis des von beiden aufgelegten „Military Procurement Tracker“ warnen, werden die steigenden Ausgaben aber aktuell „nicht automatisch zu der gewünschten größeren Kriegstüchtigkeit im Jahr 2030 führen“. Sie verweisen auf die besonders hohen Kosten für westliche Waffen, die zersplitterte Beschaffungspolitik, die nur kleine Losgrößen ermöglicht, und fehlenden Wettbewerb zwischen den Produzenten militärischer Güter. Außerdem sei eine Modernisierung der Streitkräfte und ein Fokus auf neue Technologien notwendig.

Bezogen auf die verschiedenen Fähigkeiten deckt Europa dem Procurement-Tracker zufolge zwar bei den Produktionsmengen für Artilleriegeschosse und Haubitzen fast den Bedarf für eine glaubhafte und eigenständige Abschreckung gegenüber Russland ab. Doch die Produktion für Panzer, Schützenpanzer, Raketen und Kampfflugzeuge sei zu gering. Bei Panzern und Infanteriefahrzeugen müsste die Produktion um einen Faktor von bis zu sechs steigen, um mit der Geschwindigkeit Russlands bei der Aufrüstung mitzuhalten, rechnen die Forscher vor. Auch die europäische Produktion von Raketen mit verschiedenen Reichweiten sollte dringend steigen, um die europäische Abschreckungsfähigkeit zu erhöhen.

Integration der Märkte nötig

„Trotz hoher Verteidigungsausgaben in Europa kann die Aufrüstung scheitern, wenn die europäische Integration der Verteidigungsmärkte nicht vorankommt“, sagt Guntram Wolff von der Solvay Brussels School. „Gemeinsame Bestellungen bestimmter Waffensysteme beim jeweils kostengünstigsten Anbieter im europäischen Markt würden die Kosten senken.“ Solche gemeinsamen Groß-Bestellungen senken Stückpreise, weil größere Mengen billigere industrielle Produktion erlauben, während die Öffnung der nationalen Märkte zu mehr Wettbewerb und damit ebenfalls zu Kostensenkungen führt.

Zu wenig neue Technologien

Außerdem kritisieren die Ökonomen, dass die Rüstungspläne sich noch zu wenig auf neue Technologien konzentrierten. Die Erhöhung von Produktionskapazitäten wie Drohnen oder unbemannte Fahrzeuge sei unzureichend. Zudem sei der Aufbau von eigenen Cloud-Computing- und KI-Zentren wichtig und überfällig.

Gleichzeitig müssten Europas Investitionen in Forschung und Entwicklung im Verteidigungsbereich steigen. Europäische Staaten investierten in diesem Feld mit 13 Mrd. Euro nur einen Bruchteil dessen, was die USA mit 145 Mrd. Dollar in militärische Forschung und Entwicklung stecken. „So bleibt Europa technologisch hinter den USA, China und Russland zurück – etwa bei Drohnen, Raketen und digitaler Kriegsführung“, warnt Wolff. Er schlägt daher eine europäische Innovationsagentur nach dem Vorbild der DARPA in den USA vor. Ziel müsse es sein, Startups im Rüstungsbereich einen genauso guten Zugang zu Bestellungen zu geben wie etablierten Unternehmen. So könnten neue Unternehmen moderne militärische Systeme schneller einsatzfähig machen.