Geldpolitik

Tauben in der EZB geraten unter Zugzwang

Die Hürde für eine Zinssenkung der EZB im September wachsen. Investoren passen deswegen ihre Zinserwartungen deutlich an.

Tauben in der EZB geraten unter Zugzwang

Tauben in der EZB
geraten unter Zugzwang

Investoren passen ihre Zinserwartungen an

mpi Frankfurt

Es verdichten sich die Anzeichen, dass die Europäische Zentralbank auch bei ihrer nächsten Zinssitzung im September auf eine Zinssenkung verzichten könnte. Wie Bloomberg mit Berufung auf Insider berichtet, liege die Beweislast innerhalb der EZB nun bei denjenigen, die eine Zinssenkung befürworten. Die Anhänger einer eher lockeren Geldpolitik, die sogenannten Tauben, müssten bei der nächsten Sitzung darlegen, weswegen eine Lockerung notwendig ist und nicht das andere Lager der Falken, weswegen es keine Zinssenkung brauche.

Allerdings kann sich diese Haltung durch die weitere Entwicklung im Zollkonflikt durchaus noch ändern. Aktuell haben aber anscheinend die Verfechter einer längeren Zinspause Oberwasser. „Es besteht keine Notwendigkeit, die Leitzinsen zu ändern“, sagte Lettlands Notenbankchef Martins Kazaks am Freitag. Ähnlich klang am Vortag EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid. Ihre Äußerungen nahmen Beobachter einstimmig als falkenhaft wahr.

Investoren passen ihre Zinserwartungen an

Dementsprechend haben Anleger an den Finanzmärkten inzwischen ihre Zinserwartungen angepasst. Hatten sie zu Beginn der Woche mindestens eine weitere Lockerung bis zum Jahresende fest eingepreist, implizieren Swaps an den Anleihemärkten nun nur noch eine Wahrscheinlichkeit von rund 50%. Mit einer Zinssenkung bereits bei der nächsten Sitzung im September rechnet nur noch eine Minderheit der Investoren.

Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau, Vertreter des Tauben-Lagers, stemmte sich am Freitag mit einer Stellungnahme auf der Webseite der Notenbank ein wenig gegen diese Markterwartung. Es sei wichtig, bei künftigen geldpolitischen Entscheidungen „völlig offen“ zu sein. Er verwies darauf, dass der stärkere Euro „einen erheblichen disinflationären Effekt“ habe. Die Zölle dürften laut Villeroy de Galhau ebenfalls mutmaßlich die Inflation im Euroraum eher senken als erhöhen.

Hohes Kreditwachstum

Die EZB veröffentlichte zudem Ergebnisse einer Unternehmensbefragung im Euroraum. Die befragten Großfirmen erwarten für das laufende Quartal wenig wirtschaftliche Dynamik. „Das Feedback der Kontakte deutet auf ein sehr moderates Wachstum sowohl im zweiten als auch im dritten Quartal hin“, heißt es bei der EZB.

Die Kreditvergabe im Euroraum verzeichnete dagegen die stärkste Zunahme seit gut zwei Jahren, wie aus neuen Daten hervorgeht. An Unternehmen außerhalb des Finanzsektors reichten die Banken im Juni 2,7% mehr Darlehen aus als vor einem Jahr. Im Mai hatte das Wachstum noch 2,5% betragen. Auch bei den Krediten an private Haushalte gab es eine größere jährliche Zunahmerate. Sie lag bei 2,2%, nach 2,0% im Vormonat.

Die Geldmenge M3, die manchen Ökonomen als guter Indikator für die Inflationsentwicklung gilt, wuchs im Juni um 3,3%, nach 3,9% im Mai. Das ist weniger als von Reuters befragte Volkswirte erwartet hatten. Sie gingen von einem Wachstum um 3,7% aus. M3 umfasst Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen. Auch bei der enger gefassten Geldmenge M1 verlangsamte sich das Wachstum. Sie zeigt, wie viel Liquidität vorhanden ist und gilt als Konjunkturindikator.