Tiefer Riss in den Reihen der Fed
Tiefer Riss in den Reihen der Fed
det Washington
Selbst ohne eine Änderung des Leitzinses ist der jüngsten Sitzung des Fed-Offenmarktauschusses (FOMC) historische Bedeutung zugekommen. Denn zum ersten Mal im 21. Jahrhundert votierten mehrere Notenbanker gegen den Mehrheitsentscheid. Das hatte es zuletzt 1993 unter der Ägide des damaligen Vorsitzenden Alan Greenspan gegeben. Nun hat das Protokoll der Sitzung vom Juli ans Tageslicht gebracht, wie tief der Spalt tatsächlich ist. Zwar gilt eine Lockerung der geldpolitischen Zügel beim nächsten Treffen in drei Wochen als sehr wahrscheinlich. Keineswegs sicher ist aber, dass die zwölf FOMC-Mitglieder dann einen einstimmigen Konsens erreichen werden.
Das Sitzungsprotokoll – die „Minutes“ – reflektierte einerseits die „allgemeine Erwartung“, dass die Teuerung kurzfristig wieder zunehmen werde. Im Protokoll ist jedoch auch eine klare Manifestation der hohen Ungewissheit über die inflationären Folgen der von US-Präsident Donald Trump verhängten Einfuhrzölle erkennbar. Uneinig waren sich die Währungshüter über die Folgen für Verbraucher und Unternehmen. Einige waren überzeugt, dass Unternehmen die höheren Inputkosten wegstecken und vorübergehend geringere Gewinnmargen in Kauf nehmen würden. Andere glaubten, dass Firmen die höheren Preise direkt auf Endkunden abwälzen würden. Dann würden vor allem Privathaushalte die Folgen steigender Inflation tragen müssen.
Der Dissens bezog sich auch auf die Frage, ob Trumps Handelspolitik einen einmaligen Inflationsschock auslösen oder auf Dauer eine höhere Teuerung zur Folge haben werde. Zudem gingen in Sachen Jobmarkt die Meinungen auseinander. Das unbestreitbar langsame Stellenwachstum erkannten die Währungshüter an. Schließlich sind seit Jahresbeginn im Schnitt nur 85.000 neue Arbeitsplätze außerhalb des Agrarsektors hinzugekommenen. Entsprechende Revisionen hatten die Zahl deutlich nach unten gedrückt und Trump veranlasst, BLS-Chefin Erika McEntarfer zu entlassen.
Inflationsrisiken überwiegen
Was die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Flaute am Arbeitsmarkt angeht, divergierten die Positionen allerdings ebenfalls. Aller Meinungsunterschiede zum Trotz sehen die Notenbanker immerhin eine wichtige Komponente durch dieselbe Brille: Die Risiken, die vom Jobmarkt ausgehen, sind die geringsten. Deutlich schwerer wiegen die potenziellen Folgen eines erneuten Inflationsschubs, betonte eine Mehrheit der FOMC-Mitglieder, darunter auch Vorstandsmitglied Christopher Waller.
Der Republikaner zählt zu den Favoriten für die Nachfolge von Notenbankchef Jerome Powell. Gute Chancen werden Waller vor allem deswegen zugesprochen, weil er jetzt schon für einen niedrigeren Tagesgeldsatz plädiert. Andere Mitglieder des Offenmarktausschusses vertraten die Ansicht, dass sich die vom Jobmarkt und der Inflation ausgehenden Gefahren in etwa die Waage halten.
Zinssenkung sehr wahrscheinlich
Die Aufmerksamkeit der Märkte und Analysten gilt nun der Frage, welche Folgen die Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Offenmarktausschusses für den weiteren Kurs der Geldpolitik haben werden. Unterdessen dürfte die Chance höherer Inflation, die von den meisten Notenbankern befürchtet wird, Plänen für eine Zinssenkung am 18. September keinen Abbruch tun. Das FedWatch Tool der CME Group schätzte am Donnerstag die Wahrscheinlichkeit einer Senkung um 25 Basispunkte auf knapp 80%.
Trump startet indes den nächsten Angriff auf die Fed. So versucht der Präsident, Notenbankgouverneurin Lisa Cook, die sein Vorgänger Joe Biden ernannt hatte, aus dem Amt zu ekeln. Der Grund: Cook habe bei Kreditanträgen falsche Angaben gemacht. Zuvor hatte der Präsident Stephen Miran, derzeit im Weißen Haus Leiter des Council of Economic Advisers (CEA), für den Fed-Vorstand nominiert. Miran soll kommissarisch den Sitz von Adriana Kugler übernehmen. Die Nationalökonomin Kugler hat Anfang August ihren Rücktritt eingereicht und kehrt zum Wintersemester als Professorin an die Georgetown-Universität in Washington, D.C. zurück. Auch Kugler war von Ex-Präsident Joe Biden ernannt worden.
Pessimistische Verbraucher
Unterdessen scheinen die jüngsten Eckdaten die Konjunktursorgen der FOMC-Mitglieder zu bestätigen. So gab der Index der Frühindikatoren des Conference Board im Juli auf Monatssicht um 0,1% nach. Das Forschungsinstitut nannte den Pessimismus unter Verbrauchern und die Schwäche bei Neuaufträgen als Hauptgründe für den Rückgang. Gestützt wurde der Index hingegen von den Kursgewinnen an den Aktienmärkten.
Positiv schlug im Juli auch die geringere Zahl von Erstanträgen auf Arbeitslosengeld zu Buche. Einigermaßen ermutigend waren die jüngsten Signale vom US-Immobilienmarkt. Wie der Maklerverband National Association of Realtors (NAR) meldete, stieg im Juli die Zahl der bestehenden Häuser und Wohnungen, die den Eigentümer wechselten, gegenüber dem Vormonat um 2,0%. Erwartet hatten Ökonomen eine geringere Zunahme.