NOTIERT IN WASHINGTON

Trump steht nun mit dem Rücken zur Wand

Seit Jahren hat es den Anschein, als könne US-Präsident Donald Trump immer wieder seinen Kopf aus der Schlinge ziehen und als stehe er über dem Gesetz. Nach mehreren Tagen mit Impeachment-Anhörungen, bei denen im Wesentlichen längst bekannte Fakten...

Trump steht nun mit dem Rücken zur Wand

Seit Jahren hat es den Anschein, als könne US-Präsident Donald Trump immer wieder seinen Kopf aus der Schlinge ziehen und als stehe er über dem Gesetz. Nach mehreren Tagen mit Impeachment-Anhörungen, bei denen im Wesentlichen längst bekannte Fakten über Versuche, die ukrainische Regierung zu bestechen, wiederholt und untermauert wurden, gab es aber nun endlich eine Sensation: Gordon Sondland, der amerikanische Botschafter bei der EU, hat Trump schwer belastet. Bei den öffentlichen Anhörungen vor dem Repräsentantenhaus sagte Sondland, dass er “auf ausdrückliche Anweisung des Präsidenten” die ukrainische Regierung gedrängt habe, Ermittlungen gegen Trumps politischen Rivalen Joe Biden einzuleiten. Für die Freigabe von militärischer Hilfe für die Ukraine, die der Kongress schon lange zuvor beschlossen habe, seien die Ermittlungen unverzichtbar gewesen, betonte der Diplomat und schockierte damit zweifellos Trumps republikanische Parteifreunde. Der Botschafter betonte die Rolle von Trumps Anwalt Rudy Giuliani, der nach Angaben vorangegangener Zeugen versucht hatte, herkömmliche diplomatische Kanäle zu umgehen und direkt mit der Regierung in Kiew zu verhandeln. Giuliani habe ihm zudem unmissverständlich klargemacht, so Sondland, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nur dann eine Einladung ins Weiße Haus erhalten würde, wenn er bei einer Pressekonferenz Ermittlungen gegen Biden und dessen Sohn Hunter ankündige. Hunter Biden hatte im Vorstand des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma gesessen, als sein Vater US-Vizepräsident war. Anders als frühere Zeugen, fuhr der Geschäftsmann, der eine Million Dollar für Trumps Präsidentschaftskampagne gespendet hatte und prompt mit dem Job des Topdiplomaten in Brüssel belohnt wurde, schweres Geschütz gegen Trump und dessen Handlanger auf. Demnach hat Giuliani ein ausdrückliches Tauschgeschäft gefordert und darin “die Wünsche des Präsidenten” zum Ausdruck gebracht. Ein sogenanntes “Quid pro quo” hatten Trump und seine republikanischen Anhänger im Kongress bisher energisch bestritten. *Unklar bleibt, inwieweit die Aussagen des Botschafters Republikaner veranlassen werden, eine kritischere Haltung gegenüber Trump einzunehmen. Dessen Parteifreunde hatten die Anhörungen bisher als “korruptes Gerichtsverfahren” gegeißelt, und Devin Nunes, der ranghöchste Republikaner im Geheimdienstausschuss, sprach zu Beginn der Sondland-Vernehmung abschätzig von “Tag 5 des Impeachment-Zirkus”.Deren Versuche, Sondlands Aussagen zu biegen oder gar zu diskreditieren, schienen jedenfalls im Sande zu verlaufen. Viel zu sachlich und selbstbewusst referierte er bei dem souveränen Auftritt und ließ sich von den Ablenkungsmanövern der Republikaner nicht aus der Fassung bringen. Stattdessen wiederholte er den Refrain, dass alles tatsächlich auf Wunsch und im Auftrag des Präsidenten geschah.Die Vernehmung des Botschafters erwischte aber nicht nur republikanische Parlamentarier, sondern zweifellos auch die Trump-Regierung auf dem falschen Fuß. Unter Berufung auf zahlreiche E-Mails, Textnachrichten und andere Korrespondenzen behauptete Sondland nämlich, dass keineswegs nur Giuliani und Trump in die Affäre verwickelt seien. Dass die Freigabe von über 390 Mill Dollar an Militärhilfe direkt an politische Ermittlungen gegen die Bidens gekoppelt sei – “davon wussten alle”, gab der Botschafter denn auch zu Protokoll. Sowohl Außenminister Mike Pompeo als auch Vizepräsident Mike Pence, der Stabschef im Weißen Haus, Mick Mulvaney, und Energieminister Rick Perry sowie zahlreiche Berater seien darüber im Bilde gewesen, dass die Militärhilfe ebenso wie der Selenskyj-Besuch im Weißen Haus unmittelbar von den Ermittlungen abhängig gewesen sei. Dass er selbst beteiligt war, begründete Sondland damit, dass er zunächst nicht erkannt hatte, dass “Giulianis Handlungen unangemessen waren”. Ansonsten hätte er es fraglos abgelehnt, dessen Anweisungen und diejenigen des Präsidenten zu befolgen.