NOTIERT IN WASHINGTON

Trump und das Ende des politischen Anstands

Nach exakt zweieinhalb Jahren im Amt ist US-PrĂ€sident Donald Trump das dubiose MeisterstĂŒck gelungen, den sachlichen, politischen Diskurs und jedes letzte QuĂ€ntchen des politischen Anstands in Washington zu begraben. Demokraten bezichtigen den...

Trump und das Ende des politischen Anstands

Nach exakt zweieinhalb Jahren im Amt ist US-PrĂ€sident Donald Trump das dubiose MeisterstĂŒck gelungen, den sachlichen, politischen Diskurs und jedes letzte QuĂ€ntchen des politischen Anstands in Washington zu begraben. Demokraten bezichtigen den PrĂ€sidenten des Rassismus und verabschiedeten im ReprĂ€sentantenhaus eine entsprechende Resolution. Republikaner hingegen drĂŒcken nach einer Serie hanebĂŒchener Tweets beide Augen zu und weigern sich, Trump Kontra zu geben oder ihn in irgendeiner Weise zu kritisieren. Dabei war der jĂŒngste Skandal um den 45. PrĂ€sidenten wie ein Blitz aus heiterem Himmel eingeschlagen. Am Wochenende hatte er ohne erkennbaren Anlass via Twitter linksliberale Kongressabgeordnete mit Vorfahren aus Afrika, dem Nahen Osten und der Karibik beleidigt. Sie kĂ€men “aus LĂ€ndern, deren Regierungen eine Katastrophe sind und zu den korruptesten auf der Welt zĂ€hlen”, wetterte er.Die Abgeordneten sollten nicht kritisieren, wie “in den USA, der grĂ¶ĂŸten Nation der Welt, die RegierungsgeschĂ€fte gefĂŒhrt werden”. Vielmehr legte er den jungen Demokratinnen nahe, zurĂŒckzugehen “in die völlig kaputten und von Verbrechen durchsetzten Orte, aus denen sie kamen und dort fĂŒr Ordnung sorgen”.Ohne diese beim Namen zu nennen, zielten die Aussagen offenkundig auf vier linksliberale Parlamentarierinnen ab, die vergangenen November in den Kongress gewĂ€hlt wurden. In einem wesentlichen Punkt lag der PrĂ€sident aber voll daneben: Nur eine von ihnen, die aus Somalia stammende Ilhan Omar, wurde nicht in den USA geboren. Ayanna Pressley ist Afroamerikanerin, wĂ€hrend die Senkrechtstarterin Alexandria Ocasio-Cortez Vorfahren aus Puerto Rico hat und Rashida Tlaib palĂ€stinensisch-stĂ€mmig ist.Die Betroffenen konterten postwendend mit VorwĂŒrfen des Rassismus, und demokratische PrĂ€sidentschaftskandidaten verurteilten Trumps Aussagen aufs SchĂ€rfste. Die Demokratin Nancy Pelosi, als Sprecherin des ReprĂ€sentantenhauses die mĂ€chtigste Oppositionspolitikerin im Kongress, sagte, dass der PrĂ€sident “Amerika wieder weiß machen will”. Sie, der ehemalige VizeprĂ€sident Joe Biden und andere sprachen von ausgesprochenem Rassismus.Der Schlagabtausch ging am Dienstag weiter, und ein Ende scheint bis heute nicht in Sicht zu sein. Wie gehabt legte Trump nach und forderte die Politikerinnen obendrein auf, sich wegen ihrer VorwĂŒrfe des Rassismus bei den USA, bei Israel und selbst bei ihm persönlich zu entschuldigen.Gemeinsam haben die jungen Politikerinnen, dass sie mit der politisch gemĂ€ĂŸigten Pelosi im Clinch liegen und alle vier ein Amtsenthebungsverfahren gegen den PrĂ€sidenten fordern, welches die Oppositionschefin ablehnt. Fraglos hat Trump mit seinen Tweets versucht, einen Keil zwischen den moderaten und linken ParteiflĂŒgel der Demokraten zu treiben. Dieser Versuch scheiterte klĂ€glich und hat vielmehr sĂ€mtliche Fraktionen in der Oppositionspartei, die im ReprĂ€sentantenhaus geschlossen gegen seine rassistischen Tweets votierten, zusammengeschweißt. Gelungen ist es Trump vielmehr, Washingtons politisches Establishment so tief zu spalten, dass sachliche Diskussionen um relevante wirtschafts-, sicherheitspolitische und sonstige Themen nicht mehr möglich ist. Auch dĂŒrfte Trump mit seinen Provokationen sichergestellt haben, dass in dem laufenden Wahlkampf die Debatte um Nationalismus sowie Diskriminierung ethnischer Minderheiten eine zentrale Rolle einnehmen wird.Republikanische Parteifreunde des PrĂ€sidenten, die fĂŒr die eigene Wiederwahl auf Trumps politische Basis angewiesen sind, hĂŒllten sich zu den jĂŒngsten Entgleisungen grĂ¶ĂŸtenteils in Schweigen. Nur vier von ihnen stimmten fĂŒr die Resolution, die Trump und seine Gefolgsleute prompt als “politisches Spiel” verwarfen.”Ich habe in meinem Körper keinen einzigen rassistischen Knochen” meinte der PrĂ€sident. Die vier Politikerinnen, die er schließlich namentlich aufzĂ€hlte, wĂŒrden Amerika nicht lieben. “Sie können gern das Land verlassen”, meinte Trump und zog damit bestenfalls einen vorlĂ€ufigen Schlussstrich unter die gehĂ€ssige Debatte.