Welthandel und Standortpolitik

Trumps Zölle erzwingen Automatisierung und Modernisierung in Europa

Die hohen US-Handelshürden sind für deutschen Exportunternehmen ein Problem. Sie wirken aber auch als Produktivitätspeitsche für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Und hinter den US-Zollmauern „erschlaffen die Muskeln“, formuliert LBBW-Chefvolkswirt Moritz Krämer.

Trumps Zölle erzwingen Automatisierung und Modernisierung in Europa

US-Zölle erzwingen Automation

Trumps Exporthürden machen Europas Unternehmen wettbewerbsfähiger für die Zukunft

Die höheren US-Handelshürden sind für deutsche Exportunternehmen zunächst ein Problem. Sofern sie aber mittels Roboter- und KI-Einsatz ihre Produktivität anheben, können US-Firmen künftig nicht mehr mithalten. Denn hinter den Zollwällen „erschlaffen die Muskeln“, formuliert LBBW-Chefvolkswirt Moritz Krämer.

lz Frankfurt
Von Stephan Lorz, Frankfurt

Fast egal, wie hoch die US-Zölle ab 1. August für die Handelspartner ausfallen werden: Die Handelshürden steigen, der Güterfluss in die USA wird stocken und teurer werden. US-Unternehmen dürften es indes leichter haben, ihre Waren ins Ausland zu liefern – sofern es keine Gegenzölle gibt. Die tektonischen Verschiebungen im Welthandel sind bereits im Gang.

Dass die US-Zölle angehoben werden, hat Washington zwar mit ökonomischen Argumenten begründet, um „Ungerechtigkeiten“ im globalen Handel zu beseitigen, aber schon die freie Art ihrer „Berechnung“ zeigte, dass es mehr um ideologische Haltungen und machtpolitische Zielsetzungen ging als um Fairness im Handel – zumal der Dienstleistungsverkehr ausgeblendet wurde.

Machtpolitik gibt den Ton vor

Offensichtlich wurde das bei der Begründung der Zölle für Brasilien: Trump setzt sie als Hebel ein, um seinen Freund, den brasilianischen Ex-Präsidenten Javier Bolsonaro, vor Strafverfolgung zu schützen. Und gegenüber Kanada hob er die Handelshürden an, weil die Regierung nichts gegen den Fentanyl-Schmuggel tun würde, einer Droge, die viele Todesopfer forderte. Ottawa als Drogendealer?

Eigentlich hat Trump seine Zollpolitik mit dem Argument verkauft, dass er Fertigungsjobs in die USA zurückholen will. Doch gerade das dürfte ihm misslingen, wie Viet Nguyen-Tien, Ökonom an der London School of Economics (LSE), in einer Analyse schreibt. Zum einen mangelt es an einer koordinierten Arbeitsmarkt- und Industriepolitik. Zum anderen hätten Steueranreize die Unternehmen animiert, mehr in Maschinen und weniger in Menschen und deren Ausbildung zu investieren. Für viele zurückgeholte Tätigkeiten sind sie wenig tauglich. Die US-Industrie wird also bei der Rückverlagerung ihrer Produktion aus dem Ausland weiter auf Automatisierung setzen müssen. „Viele neue Jobs gibt es wohl kaum“, sagte auch der US-Nobelpreisträger Daron Acemoglu unlängst in einem Interview.

Entwicklungsländer darben

Das sind aber alles schlechte Nachrichten für die Entwicklungsländer: Wenn Automatisierung die Arbeitskraft ersetze, schwinde der komparative Vorteil von Niedriglohnstaaten, betont Ngyuen-Tien. Das dürfte viele Staaten in neue Probleme stürzen, weil andere Regionen wohl auch verstärkt in Automatisierung investieren würden. Letztlich führe das wohl zu mehr Armut und politische Unruhen in den Ländern – und womöglich auch zu mehr Migration.

Noch produktiver werden

Für Asien und Europa könnten sich die US-Zölle jedoch mit der Zeit als Vorteil erweisen, weil sie noch mehr gezwungen sind, auf Automatisierung zu setzen, um preislich gegenüber US-Waren mithalten zu können, wie Holger Görg vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagt. Auch Achim Wambach, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), hält dies für die richtige Reaktion. Unabhängig davon, wie der aktuelle Zollstreit ausgehe, müssten die exportierenden Unternehmen schon wegen der geopolitischen Spannungen noch produktiver werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Lösung mit Robotik und KI

Umgekehrt geht dann der Automatisierungs- und Innovationsdruck auf US-Seite nach einiger Zeit zurück, weil die Zölle vor Wettbewerb schützen. „Die Muskeln erschlaffen“, formuliert LBBW-Chefvolkswirt Moritz Krämer. Und das verstärkt, so IfW-Forscher Görg, das schon jetzt bestehende Problem von US-Unternehmen, die ohne verlängerte Werkbank im Ausland nicht mehr wettbewerbsfähig wären.

Was bedeutet das für asiatische und europäische Unternehmen konkret? Noch mehr Investitionen in Automatisierung, Robotik und KI. Während die Europäer in den ersten beiden Sektoren noch gut mithalten, hinken sie bei KI zurück. So hat China seine KI-Investitionen für 2025 flugs auf 99 Mrd. Dollar verdoppelt – Größenordnungen, wie sie Europa nicht erreicht dürfte.

Die ganze Entwicklung ist letzten Endes ein gewaltiger Boost für die US-Digitalkonzerne, die alle Technologien im Regal haben, um zu automatisieren, zu digitalisieren und um die Arbeitsprozesse zu verschlanken. Nur wenn sich global oder auf europäischer Seite doch „merkantilistisches Denken durchsetzt“, warnt ZEW-Chef Achim Wambach, wären auch diese US-Unternehmen betroffen. Dahinter steht die Sorge, dass dann auch US-Digitalprodukte durch Steuern respektive „Zölle“ verteuert würden.

Doch gerade dann hätte Europa massiv Probleme, die nötige Automatisierung auch weiter konsequent durchzuziehen, weil sie wegen der demografischen Veränderungen in den Ländern letztlich unverrückbar ist. Automatisierung, Roboterisierung und KI sind nämlich ein Teil der Lösung, um den absehbaren demografisch bedingten Arbeitskräftemangel in den nächsten Jahren abzumildern.


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