Trumps zweiter Impeachment-Prozess birgt Risiken
Von Peter De Thier, Washington
Verfassungswidrig, reine Show, Propaganda: Die Vorwürfe namhafter Republikaner in den USA gegen das von den Demokraten forcierte Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump haben es in sich. Es ist bereits das zweite Impeachment gegen Trump – und das wohl spektakulärste. Denn zwei Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten hat es in der mehr als 200 Jahre langen Geschichte der amerikanischen Demokratie nie gegeben. In der Vergangenheit mussten sich überhaupt nur zwei Präsidenten einem solchen Verfahren stellen: Andrew Johnson im Jahr 1868 und Bill Clinton 1998. Richard Nixon kam in der „Watergate“-Affäre 1973 einem Verfahren durch seinen Rücktritt zuvor. Der Umstand, dass Trump sich nach Auszug aus dem Weißen Haus dem Verfahren stellen muss, sorgt für zusätzliche Brisanz und erklärt die heftige Kritik der Republikaner.
Dabei lässt sich das Ergebnis des Verfahrens, das gestern im Senat begonnen hat, eigentlich vorwegnehmen: Wie auch beim ersten Versuch werden Demokraten in ihrem Bemühen, Trump zu verurteilen, scheitern. Anstatt ein klares Signal an die Adresse eines ehemaligen Präsidenten zu schicken, der mit dem einzigen Ziel des Machterhalts einen blutigen Aufstand im Parlamentsgebäude der weltgrößten Demokratie angezettelt hat, werden die Senatoren Trump freisprechen. Schließlich müssten neben 50 Demokraten mindestens 17 Republikaner gegen Trump votieren, um die notwendige Zweidrittelmehrheit sicherzustellen. Bisher haben aber nur fünf signalisiert, einem Präsidenten, der die Partei von Florida aus weiter im Würgegriff hält, den Rücken zu kehren.
Trumps politische Errungenschaften verdienen einerseits Anerkennung. So gelang es ihm in der Corona-Pandemie, große Konjunkturpakete durch den Kongress zu bekommen, welche den wirtschaftlichen Schaden zumindest etwas abmilderten. Ungeachtet seiner Verdienste werden Trumps vier Jahre im Oval Office aber geprägt bleiben von einer Missachtung demokratischer Normen und rechtsstaatlicher Prinzipien. Zur Tagesordnung zählten mehrere Rechtsverstöße, bei denen seine verängstigten republikanischen Parteifreunde immer wieder ein Auge zudrückten. Dass er wegen russischer Versuche, den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2016 zu manipulieren, verfolgt wurde, geißelten Republikaner als „Hexenjagd“.
Dass Trump nachweislich den ukrainischen Präsidenten längst bewilligte Wirtschaftshilfe verweigern wollte, um belastende Informationen gegen den Sohn seines politischen Rivalen Joe Biden zu erhalten, führte zum ersten Impeachment in der unteren Kongresskammer. Erneut entschieden sich aber konservative Senatoren dagegen, den Präsidenten aus dem Weißen Haus zu entfernen.
Offensichtliche Beweise
Was aber am 6. Januar in dem Kapitolsgebäude, dem Wahrzeichen der amerikanischen Demokratie, über die Bühne ging, nahm andere Dimensionen an. Kurz vorher hatte Trump seine aufgebrachten Anhänger mit den Worten „Ihr müsst kämpfen wie die Hölle“ zu einer Rebellion angestiftet und dann vermutlich den Einsatz der Nationalgarde blockiert. Dafür sollte er auch als ehemaliger Präsident zur Rechenschaft gezogen werden.
Doch egal, wie offensichtlich die Beweislage ist und wie bewegend jene Videos sind, die Demokraten während der kommenden Tage zeigen werden, ist praktisch ausgeschlossen, dass sich die notwendige Zahl von republikanischen Senatoren finden wird, um Trump zu verurteilen. Einige glauben weiter an ihren De-facto-Parteichef und vertrauen ihm blindlings.
Die meisten aber haben schlichtweg Angst, die politische Basis des ehemaligen Präsidenten zu verärgern und somit ihre eigenen Chancen auf eine Wiederwahl zu gefährden. Das wiederum unterstreicht, wie grundlegend sich das politische Klima in dem politisch tief gespaltenen Washington verändert hat. Vor 47 Jahren haben Republikaner Richard Nixon noch Kontra gegeben. Sie machten ihm klar, dass ohne einen freiwilligen Rücktritt die Amtsenthebung unausweichlich wäre.
Das Argument der Republikaner, welches die meisten Rechtsgelehrten in Abrede stellen: Es sei reine Propaganda, einen bereits abgewählten Präsidenten noch symbolisch zu verurteilen. Demokraten argumentieren indes, dass es um das Prinzip gehe. Hat der mächtigste Mann im Lande eine Tat zu verantworten, die eine Demokratie womöglich zu Fall gebracht hätte, dann sollte er nicht ein weiteres Mal ungestraft davonkommen. Zumindest würde Trumps Vermächtnis das dubiose Attribut anhaften, als erster Präsident verurteilt worden zu sein. Auch müsste ihm verboten werden, jemals wieder für das höchste Amt im Lande kandidieren zu dürfen.
Dazu aber wird es nicht kommen. Stimmen weniger als 67 Senatoren für die Verurteilung, dann wird der Ex-Präsident formal „freigesprochen“. Das wiederum werden rechtsgerichtete Medien und die Trump-Familie selbst als Rehabilitation eines völlig Unschuldigen darstellen, der als einer, dem die Wahl gestohlen wurde, Washington verlassen musste. Eine Auslegung, die nicht nur Trumps Eitelkeit schmeichelt, sondern sogar den Weg bereiten könnte für ein politisches Comeback.