Konflikt mit Russland

Ukraine baut Armee aus

Vor dem Hintergrund heftiger Spannungen mit Russland bringt die ukrainische Regierung eine Militärreform auf den Weg. Derweil äußert sich die EU-Kommission abweisend zu Nord Stream 2.

Ukraine baut Armee aus

BZ Frankfurt

Die Ukraine stockt die Streitkräfte des Landes deutlich auf. In den kommenden drei Jahren soll die Armee um 100000 Soldaten wachsen, eine Steigerung um zwei Fünftel. Einen entsprechenden Erlass unterschrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in Kiew. Die Militärreform sieht zudem den Umbau in eine reine Berufsarmee und eine schrittweise Erhöhung des Solds vor. Ab 2024 soll die Wehrpflicht ausgesetzt werden.

Die Entscheidung kommt inmitten heftiger Spannungen mit Russland, das circa 100000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat. Befürchtet wird, dass die russischen Truppen in die Ukraine einmarschieren. Die russische Regierung hat eine solche Absicht zurückgewiesen. Auch Russlands Vertreter bei den Vereinten Nationen schloss einen Überfall aus. Laut UN-Botschafter Wassili Nebensja will Russland auch dann keinen Krieg in der Ukraine beginnen, wenn die Forderungen nach Sicherheitsgarantien seitens der Nato und USA scheitern sollten. „Ich kann das ausschließen“, sagte Nebensja der Agentur Interfax zufolge am Montag in New York.

Dessen ungeachtet gehen in westlichen Hauptstädten die Vorarbeiten für Sanktionen gegen Russland weiter. Mit der Sache betraute Parlamentarier im amerikanischen Kongress berichteten von Fortschritten. Demnach soll ein Sanktionspaket im Laufe dieser Woche stehen. Auf europäischer Seite ist vor allem die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 aus Russland durch die Ostsee zur deutschen Küste in den Fokus gerückt. Die Betriebsgenehmigung der Europäischen Union für Nord Stream 2 liegt der EU-Kommission zufolge auf Eis. Das sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, bei einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Geprüft werde, ob das Projekt mit der europäischen Energiepolitik vereinbar sei. Er erklärte, die EU werde alles tun, damit Russland nicht die Möglichkeit habe, Erdgas als Waffe einzusetzen.

Die umstrittene Pipeline ist seit einigen Monaten fertiggestellt, aber noch nicht in Betrieb gegangen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach längerem Zögern nicht ausgeschlossen, dass es im Falle einer russischen Aggression gegen die Ukraine auch zu Sanktionen gegen Nord Stream 2 kommen könne. Bereits vor der Ukraine-Krise hatten EU-Staaten und die USA das von Berlin vorangetriebene Projekt kritisiert, da damit ihrer Ansicht nach die Abhängigkeit von russischem Gas erhöht wird.

In Deutschland wiederum machen sich Sorgen breit, dass Russland im Falle einer Eskalation Erdgaslieferungen einstellen könnte. Der Kreml hat das zurückgewiesen. Die Suche nach möglichen Ersatzlieferanten stockt. Katar sieht sich nicht in der Lage, den europäischen Energiebedarf im Falle eines Engpasses im Zuge der Ukraine-Krise allein zu decken, hieß es am Dienstag nach Gesprächen von US-Präsident Joe Biden mit dem Emir von Katar. Die USA haben ihre Flüssiggaslieferungen nach Europa bereits aufgestockt, könnten den Bedarf im Notfall aber auch nicht allein decken.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft sieht die Gefahr, dass eine Sanktionsdebatte gegen Russland chinesischen Wettbewerbern in die Hände spielen könnte. „Ein präventiver ‚Überbietungswettbewerb‘ schafft für die Unternehmen extreme Unsicherheiten, stärkt den Wettbewerber China und schweißt Russland und China auch sicherheitspolitisch noch enger zusammen“, schrieb der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Oliver Hermes. Er warnte, dass man die Rückwirkung von Sanktionen beachten müsse. Diese könnten zu hohen Kosten auf beiden Seiten führen.

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