Ungarn droht mit Veto gegen EU-Finanzpaket

Schlussverhandlungen über Wiederaufbaufonds

Ungarn droht mit Veto gegen EU-Finanzpaket

ahe Brüssel – Die ungarische Regierung hat angekündigt, das geplante 1,8-Bill.-Euro-Finanzpaket der EU platzen zu lassen, wenn es bei dem vereinbarten neuen Rechtsstaatsmechanismus bleibt, mit dem die Auszahlungen verknüpft werden sollen. Die beabsichtigten Verfahren würden darauf hinauslaufen, dass Mitgliedsländer wie Ungarn unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit von Brüssel “erpresst” werden könnten, kritisierte der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas gestern auf einer Pressekonferenz in Budapest. Sollte die Regelung beschlossen werden, werde Ungarn nicht in der Lage sein, zum nötigen Konsens für das Finanzpaket beizutragen. Ein Veto hatten die Ungarn zuvor auch schon in Brüssel gegenüber den übrigen 26 EU-Botschaftern angekündigt.Ungarn wird die Einführung des zwischen EU-Parlament und Mitgliedstaaten schon ausgehandelten Rechtsstaatsmechanismus nicht verhindern können, weil dieser im Rat mit einer sogenannten qualifizierten Mehrheit beschlossen werden kann. Allerdings kann die Regierung in Budapest den Kompromiss zum nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen, der in dieser Woche gefunden wurde, ablehnen. Und hier ist Einstimmigkeit unter den EU-Ländern notwendig. Damit würde dann auch der Wiederaufbaufonds blockiert, der ab 2021 mit dem neuen Etatrahmen verknüpft wird.Ob sich auch Polen, das dem Rechtsstaatsinstrument ebenfalls kritisch gegenübersteht, den Vetodrohungen anschließen wird, war bislang noch unklar. Das Instrument könnte zum Einsatz kommen, wenn ein Missbrauch von EU-Mitteln droht – zum Beispiel auch, wenn es Probleme mit der Unabhängigkeit der Gerichte gibt.Überlegungen, angesichts der Vetodrohungen den Wiederaufbaufonds als zwischenstaatliches Hilfsprogramm zwischen 26 Staaten zu organisieren und damit Ungarn auszuschließen, wurden im EU-Parlament gestern deutlich zurückgewiesen. Der deutsche Volt-Abgeordnete Damian Boeselager sprach von einem “Erpressungsversuch” des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán. “Es wäre völlig absurd, bei elementar wichtigen Programmen wie dem Aufbaufonds Kompromisse zu machen, nur um einem auf totale Eskalation spielenden Autokraten nach der Pfeife zu tanzen.”Boeselager gehört dem Team des EU-Parlaments an, das mit den Mitgliedstaaten noch die genauen Konditionen der Recovery- und Resilienzfazilität (RRF) aushandeln muss, des Herzstück des Wiederaufbaufonds. Die Verhandlungen beginnen voraussichtlich am heutigen Freitag. Der Verhandlungsführer des Parlaments, der rumänische Christdemokrat Siegfried Muresan, kündigte an, Ziel sei, dass der Wiederaufbaufonds am 1. Januar 2021 zur Verfügung stehe. Das EU-Parlament will voraussichtlich in der Woche ab dem 23. November über die Verständigungen zu den verschiedenen Einzelteilen des Finanzpakets abstimmen. Offen ist auch noch die genaue Aufstellung des EU-Haushalts für 2021.