Unterhaus lässt sich beim Brexit Zeit

Noch keine Abstimmung über das neue Abkommen - EU-Parlament wartet auf Entscheidung aus London

Unterhaus lässt sich beim Brexit Zeit

Weitere Niederlage für den britischen Premier Boris Johnson. Unterhaus-Sprecher John Bercow lehnte eine weitere Abstimmung über den Deal mit der EU ab. Auch in der EU sind keine schnellen Brexit-Entscheidungen zu erwarten – weder von den Mitgliedstaaten noch vom Europaparlament.bet/ahe London/Brüssel – Die kommenden Tage im britischen Parlament werden über den Verlauf des Brexits entscheiden. Am Montag hat die Regierung das Gesetz eingebracht, mit dem das von Premierminister Boris Johnson erzielte Abkommen über den EU-Austritt in britisches Recht umgesetzt werden soll. Erste wegweisende Abstimmungen dazu stehen am Dienstag an. Zuvor war die Regierung am Montag mit dem Versuch gescheitert, das Abkommen selbst nochmals zur Abstimmung zu stellen. John Bercow, der Vorsitzende des Unterhauses, ließ den Antrag nicht zu, weil es sich substanziell um denselben Vorstoß handelte, den Johnson am Samstag in einer Sondersitzung verloren hatte. “Repetitiv und unzulässig””Es wäre repetitiv und unzulässig, den Antrag nochmals zu behandeln”, erklärte Bercow vor den erregten Abgeordneten der konservativen Regierungspartei. Tatsächlich schreiben die Parlamentsregeln vor, dass ein einmal abgelehnter Antrag innerhalb einer laufenden Sitzungsperiode nicht nochmals behandelt werden kann, sofern er nicht entscheidend verändert wurde. Tory-Abgeordnete warfen Bercow daraufhin Parteilichkeit vor. Diese Abgeordneten hatten allerdings nichts einzuwenden, als Bercow im Frühjahr unter demselben Grundsatz die Abstimmungen über Theresa Mays Brexit-Abkommen erschwerte (das sie damals bekämpften).In einer historischen Sondersitzung hatte am Samstag eine Mehrheit der Parlamentarier den Entscheid über den Austrittsvertrag aufgeschoben, indem sie für einen Ergänzungsantrag votierte, der eine Abstimmung über das EU-Abkommen erst dann erlaubt, wenn die Gesetzgebung zu dessen Umsetzung verabschiedet ist. Diese Gesetzgebung steht nun zur Debatte. Doch auch wenn Johnsons Vertragsentwurf weitaus bessere Chancen auf Erfolg hat als seinerzeit jener von Theresa May, dürfte das Verfahren doch empfindlich gestört werden.Weil die Regierung keine Mehrheit im Parlament besitzt, werden Vertreter der Oppositionsparteien versuchen, neue Ergänzungsanträge zu den einzelnen Teilen des Umsetzungsgesetzes durchzusetzen. Als wahrscheinlich gelten Anträge, wonach das Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleiben sollte, und für eine Volksabstimmung zu Johnsons Abkommen. Ein Erfolg kann nicht ausgeschlossen werden, weil viele Oppositionelle die Details des Austrittsvertrags kritisch sehen – etwa in der Nordirlandfrage und beim geplanten Freihandelsabkommen mit der EU. Johnson läuft die Zeit davon. Die britischen Gesetze sollen schnell genug verabschiedet werden, um einen geregelten EU-Austritt Ende Oktober zu ermöglichen. Bereits eine Niederlage in der Abstimmung über die Tagesordnung, sonst nur eine Formalität, könnte dieses Ziel am Dienstag erheblich erschweren.Weil das EU-Abkommen am Samstag vom Parlament nicht explizit angenommen wurde, war Premierminister Johnson durch ein älteres Gesetz gezwungen, in Brüssel um einen Aufschub des Brexits zu ersuchen. Genau wie mit dem am Samstag verabschiedeten Ergänzungsantrag wollen Abgeordnete so verhindern, dass Großbritannien Ende Oktober versehentlich oder durch einen Winkelzug der Regierung vertragslos aus der EU ausscheidet. Johnson Hoffnung ist, dass durch eine schnelle Verabschiedung der Brexit-Gesetze auch dieser Aufschub unnötig wird. Keine Eile in BrüsselUnterdessen sind auch in der EU derzeit keine schnellen Brexit-Entscheidungen zu erwarten – weder von den Mitgliedstaaten noch vom Europaparlament. Die Abgeordneten wollen zwar heute in Straßburg auch über das neue Austrittsabkommen debattieren. Eine Ratifizierung des Deals soll es aber erst nach einer Entscheidung des Unterhauses geben. Dies kündigten gestern Sprecher der großen Fraktionen an. Möglich ist weiterhin eine Sondersitzung des Plenums in der nächsten Woche, sollte es bis Donnerstag an einer Vorlage aus London fehlen.