Kreditvergabe

Unternehmen kommen schwerer an Kredite

Für Unternehmen ist es einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge schwieriger geworden, an Kredite zu kommen. Insbesondere Dienstleister nehmen demnach eine Zurückhaltung der Banken wahr.

Unternehmen kommen schwerer an Kredite

fir/ms Frankfurt

Unternehmen finden es hierzulande zunehmend schwerer, neue Kredite zu erhalten. 29,9% der Firmen, die im Dezember in Kreditverhandlungen standen, nahmen eine entsprechende Zurückhaltung der Banken wahr, teilte das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung am Donnerstag mit. Im Zuge der quartalsweise erhobenen Umfrage hatten im September noch 24,3% der befragten Unternehmen ein restriktives Vorgehen der Finanzinstitute wahrgenommen.

Ungewohnter Zinsanstieg

„Die Banken erhöhen nach und nach die Kreditzinsen und gehen zurückhaltender bei der Vergabe vor“, wird Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen, zitiert. „Die Zeiten der Niedrigzinsen sind erst einmal vorbei“, resümiert er. „Viele Unternehmen müssen sich daran gewöhnen und die Finanzierungsstruktur anpassen.“ Im verarbeitenden Ge­wer­be sprechen 27,7% der befragten Unternehmen von einem restriktiven Verhalten ihrer Banken und bei den Dienstleistern 34,6%. Besonders hoch ist der Anteil derer, die eine Kredithürde wahrnehmen, in der Gastronomie. 67,7% berichten dort von einem strengen Auftreten ihrer Banken in Kreditver­hand­­lungen.

Stark betroffen sind im Dienstleistungssektor laut Umfrage nach wie vor Kleinstunternehmen und Selbstständige. Nahezu die Hälfte der Be­fragten hat demnach Schwierigkeiten, Kredite zu erhalten. „Für einige Selbstständige ist die aktuelle wirtschaftliche Lage schwierig“, sagt Wohlrabe. „Für sie ist der Bankkredit immer noch eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente. Das verschärft für viele Selbstständige die Situation.“

Für eine künftig geringere Kreditvergabe an Unternehmen im Euroraum spricht nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) auch die Entwicklung beim Bank Lending Survey (BLS), wie sie in einer Analyse in ihrem am Donnerstag veröffentlichen Wirtschaftsbericht schreibt. In der vierteljährlichen BLS-Umfrage befragt die EZB die Banken nach den Trends bei den Kreditstandards sowie der Kreditnachfrage.

Kreditstandards verschärft

Die Informationen aus der BLS-Umfrage deuteten derzeit darauf hin, „dass sich das Wachstum der Unternehmenskredite und der privaten Wohnungsbaukredite im Euroraum in den kommenden Quartalen verlangsamen wird“, heißt es in der Analyse. Die EZB verweist zur Begründung darauf, dass die Banken ihre Kreditstandards in den vergangenen drei Quartalen verschärft hätten und insbesondere im zweiten und dritten Quartal 2022 sogar stark. Die Veränderung dieser Standards habe der Erfahrung nach einen Vorlauf von fünf bis sechs Quartalen vor einer Veränderung des Kreditwachstums. Bei der Kreditnachfrage liege der Vorlauf bei drei Monaten. In den letzten BLS-Umfragen hatten die Banken noch eine zunehmende Nachfrage gemeldet. Für das vierte Quartal erwarten sie aber einen Rückgang. „Insgesamt lassen diese Ergebnisse ein niedrigeres Wachstum der Unternehmenskredite im Jahr 2023 vermuten“, so die EZB.

Angesichts der viel zu hohen Inflation hat die EZB ihre Leitzinsen 2022 so aggressiv erhöht wie noch nie – um insgesamt 250 Basispunkte. Das soll über weniger günstige Finanzierungsbedingungen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen. Zugleich will sie aber verhindern, dass es zu einem regelrechten Einbruch bei der Kreditvergabe kommt, der den Konjunkturabschwung noch einmal erheblich beschleunigt.

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