Geldpolitik

Verbraucher in Euroland erwarten weniger Inflation

Die Inflationsrate im Euroraum hat sich seit Herbst nahezu halbiert, verharrt aber auf zu hohem Niveau. Vor allem der zugrundeliegende Preisdruck ist hoch. Das schürt Sorgen, dass die Preiserwartungen anziehen und sich die Teuerung verfestigt. Eine EZB-Umfrage dämpft solche Sorgen nun – beseitigt sie aber nicht.

Verbraucher in Euroland erwarten weniger Inflation

Geringere Teuerung in Euroland erwartet

Verbraucher schrauben ihre Preiserwartungen herunter – EZB-Zielwert lange außer Reichweite – Dissens im EZB-Rat

Die Inflationsrate im Euroraum hat sich seit Herbst nahezu halbiert, verharrt aber auf zu hohem Niveau. Vor allem der zugrundeliegende Preisdruck ist hoch. Das schürt Sorgen, dass die Preiserwartungen anziehen und sich die Teuerung verfestigt. Eine EZB-Umfrage dämpft solche Sorgen nun – beseitigt sie aber nicht.

ms Frankfurt

Die Verbraucher im Euroraum haben im Mai ihre Inflationserwartungen für die nächsten zwölf Monate erneut heruntergeschraubt – wobei sie die Teuerung allerdings weiterhin deutlich oberhalb des EZB-Inflationsziels von 2% sehen. Und auch auf Sicht der nächsten drei Jahre sehen sie den Zielwert außer Reichweite. Das zeigt der am Mittwoch veröffentlichte Consumer Expectations Survey (CES) der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Ergebnisse dürften die Debatte über den weiteren Zinskurs befeuern. Am Mittwoch belegten bereits Aussagen von Bundesbankchef Joachim Nagel und Italiens Notenbankchef Ignazio Visco die deutlich auseinandergehenden Einschätzungen im EZB-Rat.

Glaubwürdigkeit der Geldpolitik

Die Inflationserwartungen stehen derzeit mit Blick auf die Lohnentwicklung und die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik im besonderen Fokus der EZB. Die Inflation im Euroraum hat sich zwar von 10,6% im Oktober auf 5,5% im Juni nahezu halbiert. Sie liegt damit aber immer noch deutlich oberhalb des mittelfristigen EZB-Zielwerts. Hinzu kommt, dass sich die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel bislang kaum abgeschwächt hat und im Juni sogar noch einmal leicht auf 5,4% anzog. Viele Notenbanker haben klargemacht, dass ohne deutliche Trendwende bei der Kernrate kein Ende der Zinserhöhungen denkbar erscheint.

Angesichts der hohen Inflation hat die EZB seit Juli 2022 ihre Leitzinsen um insgesamt 400 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie seit der Einführung des Euro 1999. Da die Inflation inzwischen so deutlich zurückgegangen ist und die Euro-Wirtschaft im Winterhalbjahr in eine technische Rezession gerutscht ist, nimmt aber die Debatte zu, wie weit die EZB noch gehen soll oder ob sie bereits überzieht und die Wirtschaft unnötig stark abwürgt. Auch im EZB-Rat gehen die Ansichten auseinander. Umstritten sind insbesondere Zinsschritte über den avisierten Juli-Schritt hinaus (vgl. BZ vom 17. Juni).

Die monatliche CES-Umfrage, für die rund 14.000 Verbraucher in sechs Euro-Ländern befragt werden, ist nun ein weiteres wichtiges Puzzleteil für die Entscheidung über den weiteren Kurs. Auf Zwölf-Monats-Sicht wurde nun im Mai im Median ein Preisanstieg von 3,9% erwartet. Im April hatten die Verbraucher noch mit 4,1% Teuerung gerechnet. Für die kommenden drei Jahre verharrte die Inflationserwartung bei 2,5% – merklich oberhalb der 2%. Im Mittelwert gaben die Erwartungen auf Sicht von zwölf Monaten von 5,3% auf 5,1% nach, während sie sich auf Sicht von drei Jahren sogar von 3,8% auf 4,0% erhöhten. Die Unsicherheit rund um den Inflationsausblick nahm dabei laut EZB-Mitteilung ab.

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Der Rückgang auf kurze Sicht stärkt nun tendenziell eher jene im EZB-Rat, die zur Vorsicht mahnen, weil die Inflation bereits deutlich nachlässt und die Wirtschaft schwächelt. Das Verfehlen des EZB-Ziels auf lange Sicht ist dagegen ein Argument für jene Notenbanker, die sich um die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik sorgen und eine Verfestigung der hohen Inflation befürchten.

Was den Inflationsausblick betrifft, gab es am Mittwoch indes gute Signale. So sanken im Mai in der Eurozone die Preise auf Unternehmensebene erstmals seit Ende 2020 wieder. Die Produzentenpreise gaben gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,5% nach, wie Eurostat mitteilte. Im vergangenen Sommer waren die Preise, die Hersteller für ihre Produkte erhalten, zeitweise um mehr als 40% gestiegen. Ausschlaggebend waren die Folgen des Kriegs von Russland gegen die Ukraine. Die Erzeugerpreise schlagen in der Regel mit Verzögerung auch auf die Verbraucherpreise durch.

Unterdessen ging am Mittwoch das Ringen der Euro-Notenbanker weiter. Italiens Notenbankchef Visco sagte laut Reuters in Mailand, es sei „ein hohes Maß an Umsicht und Geduld erforderlich, um die Auswirkungen der im vergangenen Jahr eingeleiteten geldpolitischen Straffung abzuschätzen“. Statt mit den Zinsen weiter vorzupreschen, könne das aktuell erreichte Niveau für einen ausreichenden Zeitraum gehalten werden, um so die Inflation zu drücken. Zwar sei eine restriktive Geldpolitik „gerechtfertigt und sollte beibehalten werden“, sagte Visco. Es sei aber zugleich möglich, den Schaden für die Konjunktur zu begrenzen.

„Aus heutiger Sicht müssen die Zinsen weiter steigen“, sagte dagegen Bundesbankchef Nagel bei einer Bundesbankkonferenz in Frankfurt. „Die Frage, wie weit die Zinsen noch steigen müssen, lässt sich aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantworten.“ Er könne auch nicht sagen, wie lange sie hoch bleiben werden.

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