Von der Leyen: „Ein neues Europa muss entstehen“
„Ein neues Europa muss entstehen“
Von der Leyen will Abhängigkeiten der EU bei Militär und Energie senken – Sanktionen gegen Israel und Russland geplant
mpi Frankfurt
Ursula von der Leyen sieht Europa in einem Kampf um seine wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit. In ihrer Rede zur Lage der EU fordert die Kommissionspräsidentin mehr Geschlossenheit von den Mitgliedsstaaten, bleibt aber oft unkonkret bei den Maßnahmen für mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Ursula von der Leyen hat die EU-Mitgliedsstaaten angesichts geopolitischer Bedrohungen zu mehr Geschlossenheit aufgerufen. „Die Welt von heute ist gnadenlos“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin bei ihrer Rede zur Lage der EU vor dem Parlament in Straßburg. „Nur ein vereintes Europa kann ein unabhängiges sein.“
Insbesondere in den Bereichen Militär und Energie müsste Europa unabhängiger werden. Sie versprach Investitionen der EU vor allem in den Bereichen Cleantech und Digitales. So kündigte sie am Mittwoch ein neues Paket in Höhe von 1,8 Mrd. Euro für die Batterieproduktion in Europa an. „Batterien sind ein Schlüsselfaktor für andere saubere Technologien – insbesondere Elektroautos“, sagte sie. Außerdem würde dies zu billigeren Elektroautos beitragen. „Millionen Menschen in Europa wollen bezahlbare europäische Autos kaufen.“
Ein Schlüssel für mehr europäische Wettbewerbsfähigkeit ist ein stärkerer Binnenmarkt. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) entsprechen Handelshürden durch beispielsweise unterschiedliche nationale Regelungen einem innereuropäischen Zollsatz von 45% auf Waren und 110% auf Dienstleistungen. Hier ließe Europa enormes Potenzial liegen, so von der Leyen.
Fahrplan für Binnenmarkt
Forderungen nach einer Vollendung des Binnenmarktes sind alles andere als neu, kommen dennoch so gut wie nicht voran. Um dem Vorhaben mehr Zug zu verleihen, will die EU laut von der Leyen einen Fahrplan für die Vollendung bis 2028 aufsetzen. „Nur was messbar ist, wird erledigt“. Details des Plans nannte sie jedoch nicht. „Die Rede von der Leyens hat zwar die historischen Herausforderungen der EU mit berechtigtem Pathos benannt und viele politische Ziele formuliert. Doch der konzeptionelle Weg dorthin blieb sehr vage“, kritisiert das Centrum für Europäische Politik (cep).
Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu steigern, müsste es laut von der Leyen öfter gelingen, erfolgreiche innovative Start-ups auch in Europa zu halten. Wegen eines Mangels an Venture-Capital würden sie zu oft in die USA abwandern. Damit sich dies ändert, habe die EU-Kommission bereits im Mai eine Strategie für Start-ups und Scale-ups in der EU vorgelegt.
Schattenflotten im Visier
Von der Leyen will zudem den Druck auf Russland, aber auch auf Israel erhöhen. So erwägt die EU als Teil neuer Sanktionen einen beschleunigten Ausstieg aus russischen Energieträgern. Zudem wolle man Schattenflotten ins Visier nehmen bei neuen Sanktionen.
Mutmaßlich russische Drohnen waren in der Nacht zu Mittwoch in den polnischen Luftraum eingedrungen. Polen beantragte deshalb Konsultationen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags. „Wir erwarten deutlich mehr Unterstützung bei der Verteidigung des polnischen Luftraums“, sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk.
Von der Leyen will Sanktionen gegen Israel
Von der Leyen sagte Polen ihre Solidarität zu. Zudem kündigte sie eine Allianz mit der Ukraine zur Produktion von Drohnen an. Die EU werde dafür 6 Mrd. Euro bereitstellen. Das Geld solle aus einem Darlehen kommen, das über Zinserträge aus der Verwahrung von eingefrorenen russischen Vermögen zurückgezahlt wird.
Das Vorgehen Israels im Gazastreifen verurteilte die Deutsche. Die EU-Kommission stoppt alle Hilfszahlungen an das Land. Zudem arbeitet die EU an Sanktionen, etwa gegen israelische Minister. Auch wolle man den Mitgliedstaaten empfehlen, in einem Partnerschaftsabkommen enthaltene Handelsvereinbarungen auszusetzen. „Mir ist bewusst, dass es schwierig werden wird, Mehrheiten dafür zu finden“, räumte von der Leyen ein.