Vorstoß zu nationaler Digitalsteuer provoziert Kontroverse
Vorstoß zu nationaler Digitalsteuer provoziert Kontroverse
Kulturstaatsminister Weimer kündigt Plattform-Soli an – Nur Prüfauftrag im Koalitionsvertrag – Digitalwirtschaft besorgt
wf Berlin
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) hat mit einer in der Bundesregierung unabgestimmten Ankündigung zur Einführung einer Digitalabgabe für große Internetkonzerne wie Google oder Meta kontroverse Reaktionen ausgelöst. Die Sprecher des Bündnisses Zukunft Presse begrüßten laut Nachrichtenagentur dpa-afx, dass die neue Bundesregierung „die Plattformmonopole im Interesse digitaler Medienvielfalt in die Pflicht nehmen will.“ Matthias Ditzen-Blanke und Philipp Welte vom Zeitungsverlegerverband BDZV und vom Verband der freien Presse mahnten an, die Mittel müssten „unmittelbar zu Gegenfinanzierung der Unterstützung redaktioneller Medien“ verwendet werden.
Beifall kam aus dem Bundestag. Die Vizevorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Anja Weisgerber, nannte den Vorstoß „konsequent und folgerichtig“. Die „großen Fische der Internetkonzerne“ verdienten mit ihrer Marktmacht Milliarden, vermieden Steuern und schränkten die Medienvielfalt ein, während viele kleine Medienunternehmen ums Überleben kämpften. Weisgerber begrüßte einen „Plattform-Soli“ als nationalen Zwischenschritt. Der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rabanus, begrüßte ausdrücklich, dass Weimer die Einführung einer Abgabe für Online-Plattformen nun zügig auf den Weg bringe.
Kritik vom Bitkom
Der Verband der Internetwirtschaft Eco nannte die Digitalsteuer einen „schweren Schlag für die Digitalisierung in Deutschland und die transatlantischen Beziehungen“. Eco-Vorstandsvorsitzender Oliver Süme verwies auf erhebliche Pflichten bei Dokumentation und Nutzerverfolgung für die Unternehmen, um das Werbeaufkommen konkret zu erfassen. Der Digitalverband Bitkom lehnt die Einführung einer Digitalsteuer ab, da sie von den Unternehmen überwälzt würde und zwangsläufig die Kosten für die Nutzer in Deutschland und Europa in die Höhe trieben. Der Außenhandelsverband BGA unterstützte dagegen eine solche Steuer als Antwort auf US-Zölle der Trump-Administration.
Weimer hatte im Interview mit dem Magazin „Stern“ angekündigt, dass er eine Gesetzesvorlage für eine Digitalabgabe ausarbeiten werde. Er sprach von einem „Plattform-Soli“, der auf Betreiber mit Milliardenumsätzen ziele. „Wir halten einen Abgabesatz von 10% für moderat und legitim.“ Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart: „Wir prüfen die Einführung einer Abgabe für Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen. Die Erlöse sollen dem Medienstandort zugutekommen.“ Das Bundesfinanzministerium erklärte, die im Koalitionsvertrag festgehaltene Passage werde geprüft.
Politische Kehrtwende in Berlin
Die Einführung einer Digitalsteuer in Deutschland hätte weiterreichende Folgen. Es wäre eine politische Kehrtwende im Bestreben, eine globale Lösung auf Basis des von der Industrieländerorganisation OECD begleiteten Regelwerks zur Besteuerung von Digitalkonzernen durchzusetzen. Deutschland war in dem Prozess treibende Kraft. Da digitale Leistungen global angeboten werden können, ohne im Abnehmerland vor Ort zu sein, greifen die aktuellen Steuerregeln nicht. Mehr als 140 Länder hatten 2023 in dem OECD-Prozess einer Neuaufteilung des Steuersubstrats zugestimmt. Die Zusage der US-Regierung hat die Trump-Administration als eine ihrer ersten Amtshandlungen allerdings kassiert.

Eine globale Lösung sollte auch einen Flickenteppich aus nationalen Regelungen verhindern. Gleichwohl belasten vier Länder in Europa − Frankreich, Italien, Österreich und Spanien − Online-Werbung, Online-Marktplätze und den Verkauf von Nutzerdaten großer Unternehmen mit Steuersätzen zwischen 3% und 5%. Das Aufkommen fällt gemessen am Gesamtsteueraufkommen gering aus. In der EU gibt es Überlegungen, mit einer Digitalsteuer auf die Zollpolitik der USA zu antworten. Bei Dienstleistungen hat Europa ein Handelsdefizit. Das Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln zeigte sich zur Einführung einer Digitalsteuer jüngst in einer Studie zurückhaltend. Die Forscher verwiesen auf die Überwälzung der Kosten auf die Nutzer, mangelnde Alternativen zum Angebot der US-Tech-Konzerne und Schwierigkeiten bei der geografischen Zuordnung von digitalen Erlösen.