Wettbewerbsrecht

Industrie warnt vor Kartellrechtsreform

Die deutsche Industrie kämpft gegen das neue Wettbewerbsrecht. Das Kartellamt soll auch Strafen verhängen können, ohne einen Rechtsverstoß nachzuweisen.

Industrie warnt vor Kartellrechtsreform

Industrie warnt vor Kartellrechtsreform

BDI: Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland

wf Berlin
wf Berlin

Die Industrie warnt vor einer Schwächung des Standorts Deutschland durch eine überzogene Reform des Kartellrechts. „Deutschland ringt derzeit an vielen Stellen um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit“, erklärte Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Industrieverbandes BDI. „Wichtige Investitionen in Innovationen und Marktwachstum werden am Standort unterbleiben, wenn Unternehmen trotz Befolgung aller Wettbewerbsregeln Sanktionen befürchten müssen“, mahnte sie. Plöger klassifizierte die geplante Novelle als nationalen Alleingang.

Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch den Gesetzentwurf einer 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beschlossen. Das politisches Ziel ist, Störungen des Wettbewerbs im Sinne der Verbraucher besser abstellen zu können. Die Eingriffsrechte des Bundeskartellamtes werden dazu geschärft. Das gilt für Marktstrukturen mit nur wenigen Anbietern, in denen regelmäßig parallele Preisentwicklungen zulasten der Verbraucher zu beobachten sind.

„Die heute im Kabinett verabschiedete Novelle ist eine der größten Reformen des Wettbewerbsrechts der letzten Jahrzehnte“, sagte Vizekanzler und Bundewirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin. Habecks Haus ist federführend für das GWB verantwortlich.  Das Justizministerium war eng in die Arbeit eingebunden. „Wir brauchen eine Wettbewerbsbehörde mit Biss“, sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP). Mit der Novelle werde gesichert, dass rechtsstaatliche Grundsätze beim kartellbehördlichen Einschreiten „strikt gewahrt“ würden.

Gewinnabschöpfung erlaubt

Das sieht die Industrie anders. Dem BDI zufolge sind im Vergleich zum Ursprungsentwurf „die zunächst grenzenlosen behördlichen Eingriffsinstrumente“ deutlich reduziert und der Rechtsschutz der Unternehmen verbessert worden. Das Grundproblem, dass künftig das Bundeskartellamt auch ohne Regelverstoß der Unternehmen Sanktionen verhängen könne, bleibe aber bestehen. Widerstand kam auch von der Opposition. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) begrüßt dagegen den Entwurf als richtigen Schritt, um „dauerhaft verkrustete wettbewerbsbehindernde Strukturen auf bestimmten Märkten“ aufzubrechen. Dort seien die herkömmlichen Instrumente der Kartellverbots-, Missbrauchs- und Fusionskontrolle nicht immer wirksam, erklärte DIW-Wettbewerbsexperte Tomaso Duso.

Die 11. GWB-Novelle sieht konkret neue Instrumente für das Bundeskartellamt bei Sektoruntersuchungen vor. Stellt die Behörde die Störungen des Wettbewerbs fest, kann sie künftig Gegenmaßnahmen anordnen – etwa einen erleichterten Marktzugang verlangen, Konzentrationstendenzen stoppen oder, im Extremfall , Unternehmen entflechten. Als Vorbild dient die Marktuntersuchung der britischen Wettbewerbsbehörde CMA.

Bisher endeten Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamts maximal mit einem Bericht. Außerdem kann die Wettbewerbsbehörde künftig bei Kartellrechtsverstößen leichter den daraus entstandenen Gewinn bei Unternehmen abschöpfen. Schließlich kann das Kartellamt künftig die EU-Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act unterstützen. Auch die private Durchsetzung des Digital Markets Act wird mit der GWB-Novelle erleichtert.