Im Interview Peter Schwark, DIA - Deutsches Institut für Altersvorsorge

„Wichtiger als Kostenhöhen sind Kostenstrukturen“

Das Kabinett will nächste Woche den Entwurf zur Reform der privaten Vorsorge beschließen. Peter Schwark, Sprecher des Altersvorsorgeinstituts DIA, zeigt im Interview die Schwachstellen auf. Die Verteilung der Vertriebskosten über viele Jahre könnte das Gelingen gefährden. Denn die Menschen benötigten Beratung.

„Wichtiger als Kostenhöhen sind Kostenstrukturen“

Im Interview: Peter Schwark

„Wichtiger als Kostenhöhen sind Kostenstrukturen“

DIA sieht Verbot der Einrechnung einmaliger Abschlussprovision kritisch – „Anbieter müssen die Kosten für ihre Vermittler amortisieren können“

Das Kabinett will nächste Woche den Entwurf zur Reform der privaten Vorsorge beschließen. Peter Schwark, Sprecher des Altersvorsorgeinstituts DIA, zeigt im Interview die Schwachstellen auf. Die Verteilung der Vertriebskosten über viele Jahre könnte das Gelingen gefährden. Denn die Menschen benötigten Beratung.

Die Fragen stellte Angela Wefers.

Herr Dr. Schwark, der Entwurf für die private Altersvorsorge soll noch vor Weihnachten im Kabinett beschlossen werden. Passt der Zeitplan?

Die Reform der privaten Altersvorsorge politisch anzupacken, nun erstmals seit 25 Jahren, war ein wichtiges Signal am Freitag – und dass die Regierung neben dem teuren Rentenpaket mit Leistungen für die Älteren etwas auf den Weg bringt, was den Jungen bei ihrer Eigenvorsorge hilft. Dennoch ist der Zeitplan sportlich, die Frist zur Stellungnahme mit einer Woche knapp. Die Regierung sollte sich ausreichend Zeit für gute Argumente nehmen.

Kann das Standardprodukt der privaten Rente den nötigen Schwung verleihen?

Das Standardprodukt soll Menschen Entscheidungen erleichtern. Die jüngste Studie des DIA hat gezeigt: Einige Menschen tun sich schwer, ein Produkt aus vielen Produkten auszuwählen. Sie haben Angst vor Fehlern. Da kann ein Standardprodukt ohne Wahlmöglichkeiten helfen. Breite Marktdynamik entsteht aber nur durch Vielfalt im Produktangebot, das auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingeht, und durch Wettbewerb von Anbietern und Vermittlern.

Hilft das Standardprodukt, den Kostendeckel von 1,5% einzuhalten?

Standardprodukte ohne Wahlrecht sind immer günstiger. Wichtiger als Kostenhöhen sind aber Kostenstrukturen. Das Verbot der Einrechnung einmaliger Abschlusskosten trifft die Basis vom Vertrieb. Anbieter müssen die Kosten für ihre Vermittler amortisieren können. Die meisten Menschen kommen erst durch Beratung ins Handeln. Den Fehler, die Vertriebskosten über viele Jahre zu verteilen, gab es auch zu Beginn der Riester-Rente, die dann nicht ans Laufen kam.

Die Produkte müssen zertifiziert werden. Zu viel Bürokratie?

Hier ist der Gesetzentwurf sehr smart. Wer die Zertifizierungskriterien einhält, gilt mit dem Zertifizierungsantrag als zertifiziert und kann sofort loslegen. Das ist so wie mit der Online-Zulassung eines KfZ: Sie können sofort losfahren und bekommen die Plaketten später. Der Zertifizierungsantrag wird ex-post geprüft, die Zertifizierung kann bei Verstößen widerrufen werden. Das ist viel weniger bürokratisch als bislang.

Das Anlagespektrum ist auf Publikumsfonds, AIFs, Eltifs und staatliche oder staatsnahe Anleihen aus Europa beschränkt. Bringt diese Mischung künftigen Rentnern die nötige Rendite?

Im Gesetz gibt es eine Begrenzung auf die Risikoklasse 5 und einen Standardmechanismus zur schrittweisen Reduktion des Risikos, je näher die Auszahlungsphase rückt. OGAW-konforme ETF sind möglich, Einzelaktien nicht. Zur Realisierung der Renditechancen am Markt ist das mögliche Anlageuniversum ausreichend. Außereuropäische Staatsanleihen brächten vor allem Währungsrisiken ohne Vorteile.

Es kommt ein nachgelagert besteuertes Vorsorgedepot. Ist es richtig, auf Garantien und Absicherungen etwa für Hinterbliebene zu verzichten?

Am Ende ist das eine Frage der Risikoneigung: Mehr Risiko, mehr Chancen. Garantien bieten Sicherheit, umgehen Verlustaversion. Wichtig ist, jeder findet für sich das Richtige. Garantieverbote wie beim Sozialpartnermodell erwiesen sich dagegen als Hemmschuh. Die Abschaffung von Hinterbliebenenrenten halte ich für einen Fehler. Die Versorgung des eigenen Partners nach dem Tod analog zur gesetzlichen Rente ist für viele Menschen wichtig.

Der Auszahlungsplan soll mit 85 Jahren enden. Was machen Menschen, die länger leben?  

Ein gesunder Mann hat mit 60 eine Lebenserwartung von 89, bei Frauen sind es fast zwei Drittel, die über 90 Jahre alt werden. Sie müssen sich fragen: Wovon lebe ich danach? Welche Wahrscheinlichkeit wollen sie je für sich akzeptieren, dass am Ende des Geldes noch Leben übrig ist? Nicht jeder wird mit 85 noch auf dem Zettel haben, dass das Geld nicht mehr kommt. Hier braucht es neben guter Beratung verschieden lange Laufzeiten für Auszahlpläne.

Ist die Altersgrenze realistisch?

85 ist seit 25 Jahren bei der Riester-Rente die Grenze, ab der ein Auszahlungsplan in eine lebenslange Rente übergeht. Sie war nie so diskutiert worden, dass danach alle Auszahlungen final enden. Die Lebenserwartung ist weiter gestiegen. Wir sollten uns fragen, welches Minimum heute sinnvoll ist – und das aus der Perspektive der betroffenen Menschen. Dies abzuwägen, ist verantwortungsvolle Aufgabe für Politik und Anbieter von Auszahlplänen.

Wann sollte die Entscheidung für Auszahlungsplan oder Rente fallen?

De facto wird die Entscheidung beim Vertragsabschluss getroffen. Gewählt wird ein Fondsdepot oder eine Versicherung. Vielleicht ist 35 Jahre später aber die gesetzliche Rente nur noch eine Basisrente? Dann will er oder sie doch lieber eine lebenslange Rente. Ich bin für mehr Wahlfreiheit in der Auszahlphase. Aber Eigenverantwortung und freie Wahl setzen voraus, die Wahl zu haben. Das gilt für mich auch für den Beginn der Auszahlungsphase.

Sollte das Vermögen bei einem Auszahlungsplan vererbbar sein?   

Vererbbar ist das Vermögen immer. Selbst bei Rentenversicherungen gibt es über Rentengarantiezeiten von 10 bis 20 Jahren Möglichkeiten der Vererbung, die der Angst begegnen, es wäre alles weg, wenn ich als Rentner bereits früh versterbe. Aber es kommt darauf an, an wen vererbt wird. Nur bei Hinterbliebenen wie Ehepartner oder Kinder ist eine steuerbegünstigte Auszahlung oder Übertragung möglich. Das ist aus Sicht des Fiskus konsequent.

Es kommt kein Obligatorium. Wäre aber die Variante mit Opt-out sinnvoll?

Opt-out ist in der Privatvorsorge schwierig umzusetzen. Die Politik hat sich vor langer Zeit für Wahlfreiheit und Freiwilligkeit entschieden. Dann müssen die Spielregeln dazu passen. Abschluss- und Vertriebskosten auf die Vertragslaufzeit zu verteilen und einen kostenfreien Anbieterwechsel alle fünf Jahre zu fordern, erzeugt wirtschaftliche Risiken, die Anbieter wie Vermittler kaum tragen können. Das erzeugt das Gegenteil von Durchschlagskraft.