Europa fällt im Steuerwettbewerb zurück

Wirtschaft dringt auf Abstriche an der Mindeststeuer

Die deutsche Wirtschaft ist nach dem US-Ausstieg aus der globalen Mindeststeuer in Sorge um die Wettbewerbsbedingungen für deutsche und europäische Unternehmen.

Wirtschaft dringt auf Abstriche an der Mindeststeuer

Wirtschaft will Abstriche an Mindeststeuer

Globale Idee lastet nur auf europäischen Unternehmen – Wichtige Länder fehlen

wf Berlin

Die deutsche Wirtschaft dringt nach dem Ausstieg der USA aus der globalen Mindeststeuer auf vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen und auf Entlastung im Steuerregime. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses deutlich.

Der Industrieverband BDI habe die Einführung der Mindeststeuer grundsätzlich konstruktiv begleitet, sagte die Leiterin der Steuerabteilung des Verbands, Monika Wünnemann. Sie habe den Steuerwettbewerb der Staaten begrenzen können. Voraussetzung sei aber gewesen: „Dass sie global eingeführt wird“, sagte Wünnemann. Nun hätten sich wesentliche Staaten „von der Mindeststeuern verabschiedet“. Neben den USA, die über Details der Anerkennung ihrer nationalen Mindeststeuer GILTI (Global Intangible Low-Taxed Income) anstelle der globalen Mindeststeuer verhandeln, sind Länder wie China oder Indien ausgeschert. Sie haben zwar die politische Einigung unterzeichnet, die Steuer aber bislang nicht eingeführt.

Die Industrie monierte das nun belastende steuerliche Sonderregime für deutsche und europäische Unternehmen. Das ohnehin komplexe Steuerrecht werde dadurch noch komplizierter. Hella Schmidt-Naschke wies für den BDI darauf hin, dass die Rechtsverfolgungskosten höher seien als die Steuereinnahmen. Der BDI rechnet mit einem Aufkommen von 1,5 bis 1,7 Mrd. Euro. Die Steuerschätzer haben erstmals für 2026 Einnahmen von 1 Mrd. Euro vorausgesagt, die bis 2030 auf 200 Mill. Euro sinken.

Das vom Bundestag nun angehörte Mindeststeueranpassungsgesetz hebt indessen nur auf eine neue Verwaltungsleitlinie der OECD zur globalen Mindeststeuer ab. Es geht vor allem um redaktionelle Anpassungen, etwa bei der Berücksichtigung latenter Steuern. Weitere Bürokratieabbaumaßnahmen führen nur zu Steuerausfällen von 50 Mill. Euro in diesem Jahr mit sinkender Perspektive. Die Kosten für die Wirtschaft sinken dadurch um 2,16 Mill. Euro jährlich, für die Verwaltung um 212.000 Euro.

Zugleich wird aber mit Blick auf die Wirtschaft vermerkt, dass im Zuge der „One-in, one-out-Regelung“ das Bundesfinanzministerium nun quasi ein Guthaben in dieser Höhe für neue Bürokratiekosten habe.

Auf die von der OECD flankierte globale Mindeststeuer hatten sich 2021 nunmehr 141 Staaten geeinigt. Sie stellt eine Mindestbelastung des Unternehmensgewinns von 15% sicher. Betroffen sind Unternehmen mit einem Konzernumsatz von mehr als 750 Mill. Euro. Deutschland hatte die in der Folge der internationalen Vereinbarung beschlossene EU-Richtlinie Ende 2023 in nationales Recht umgesetzt.

Die genauere Ausgestaltung wird laufend in der OECD erarbeitet und muss in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Die Anwendung durch ein reines Verwaltungsschreiben des Bundesfinanzministeriums stuft die Bundesregierung im Gesetzentwurf als nicht ausreichend rechtssicher ein.

Umstritten war unter den Sachverständigen die geplante Abschaffung der Lizenzschranke. Sie soll Gewinnverlagerung über Lizenzen entgegenwirken. Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit verwies auf Fälle, in denen die Lizenzschranke nicht durch die globale Mindeststeuer aufgefangen werde. Die Deutsche Steuergewerkschaft und das Tax Justice Network erinnerten an die Unternehmen unterhalb der Umsatzschwelle von 750 Mill. Euro. Nadia Altenburg von Bluebird Legal & Tax sowie Dirk Nolte von EY stuften die Lizenzschranke in der Praxis als unbedeutend ein.

Neben der Lizenzschranke sollen weitere Regelungen zurückgeführt werden, die Gewinnverlagerung abwenden sollten, heute aber zur Bürokratie und Doppelbesteuerung führen. Angehoben werden sollen auch die Freigrenzen bei der Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuergesetz. Eingeführt werden soll dort zudem eine Beteiligungsgrenze für Einkünfte mit Kapitalanlagencharakter. Bei der Wegzugsbesteuerung soll die Regelung zu substanziellen Gewinnausschüttungen in Rückkehrfällen klargestellt werden.