Wirtschaftsbuchpreise 2022 decken große Themenbandbreite ab
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Die Frankfurter Buchmesse hat auch in diesem Jahr wieder gezeigt, wie viel spannende und interessante Bücher herausgebracht werden – und dass das gedruckte Buch allen Voraussagen zum Trotz noch lange nicht aussterben wird. Auch bei den Wirtschaftsbüchern ist die Bandbreite mal wieder immens, und für Orientierung im Lesedschungel sorgen weiterhin Fachjurys, die Longlists erarbeiten, aus diesen die Shortlists herausdestillieren und daraus schließlich die preiswürdigsten Werke herauspicken. Es wird aber auch die Intelligenz der Masse genutzt – neben traditionelle Buchpreise treten Leserpreise.
Der ältere der beiden hierzulande bekanntesten Wirtschaftsbuchpreise wird von Get Abstract, dem Schweizer Anbieter von Wirtschaftsbuch-Zusammenfassungen und dessen Partner Brand Eins verliehen. Die sonst durch ihre klar strukturierten Zusammenfassungen für Ordnung sorgenden Schweizer warteten in diesem Jahr allerdings mit einem Chaos an Preisen und Würdigungen auf. Bis 2019 waren je zwei deutsch- und englischsprachige Bücher, die mit einem Preis bedacht wurden, 2020 kam je ein Leserpreis hinzu, und im Coronajahr 2021 wählten Jury und Leser je einen Favoriten.
Erster Gewinner in der neu firmierten Hauptkategorie „Business Impact“ National ist der Pilot und Experte in Sachen Unfälle, Eckhard Jann. Er schildert in „Fehler Eins“, warum und wie katastrophenträchtige Fehler entstehen und wie sie vermieden werden können. Nach der Lektüre wisse man damit umzugehen und wie große Katastrophen verhindert werden könnten, begründet die Jury die Wahl. „A Decent Meal“ von Michael Carolan – gelobt als „eine zutiefst humanistische Antwort auf eine große humanistische Krise“ – wurde ebenfalls in der Kategorie „Business Impact“ ausgezeichnet. Der Soziologe zeige, was er durch seine Studien des amerikanischen Lebensmittelsystems über Empathie gelernt hat. Das Publikum entschied sich für Sebastian Purps-Pardigol („Leben mit Hirn“), der erklärt, wie das Hirn funktioniert – und wie man sich dies im Alltag zunutzemachen kann. Publikumsliebling war zudem „The Business of Building A Better World“, ein Sammelband zu nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen auf der ganzen Welt von Audrey Selian und David Cooperrider.
Der erstmals und nur für internationale Titel vergebene „Learning Impact Award“ richtet sich dezidiert an ein HR-Fachpublikum. Es geht um Themen aus der Personalentwicklungswelt. „Klarer Favorit“ der Jury war das „L&D’s Playbook for the Digital Age“ des US-amerikanischen Lernexperten Brandon Carson. In diesem werde nicht nur ein Gesamtbild des aktuellen wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Wandels gezeichnet – es biete auch „starke praktische Hilfestellungen für Chief Learning Officer, die ihnen in diesem Kontext weiterhelfen“, lautete das Urteil.
Für besondere Diskussionen in der Jury gesorgt hatten die Autoren Amanda Montell, Brigitte Berscheid und Kathrin Strehlau sowie Juliet Funt – sie wurden daher mit zuvor unangekündigten „Special Mentions“ bedacht. Den typischen Charme aber hat die erstmals abseits des Messegeländes abgehaltene Veranstaltung gänzlich verloren: Die gläserne Trophäe erhielt einen neuen Look und die stets für Heiterkeit bei den früheren Preisverleihungen im Lesezelt auf dem Buchmessegelände sorgende Monstervariante einer dreieckigen Schweizer Schokolade wich einer rasch leergefutterten Standardpackung Pralinen. Die meist ergiebigen Interviews mit Autor und Verlagspräsentant wichen den eher üblichen Dankesworten.
Der vom Handelsblatt, der Buchmesse und Goldman-Sachs ausgelobte Wirtschaftsbuchpreis ging in diesem Jahr an „KI 2041“ des KI-Experten Kai-Fu Lee und des Science-Fiction-Autors Qiufan Chen. Es liefere einen wichtigen Beitrag für Gesellschaft und Wirtschaft, um das Verständnis von KI und deren Auswirkungen zu verbessern, lobte die Jury. „Autokorrektur“ der Verkehrsexpertin Katja Diehl wurde mit dem erstmals vergebenen Leserpreis bedacht.
Am 5. Dezember dann verleihen die Financial Times (FT) und McKinsey ihren mit 30000 Pfund dotierten „Business Book Award of the Year“ 2022. In den sechs Bücher, die auf der Shortlist stehen, geht es um die Erforschung der Geopolitik der Energie, die Entwicklung freier Märkte sowie Risikokapital, die Schifffahrt- und die Technologiebranche. Zudem ausgelobt ist der „Bracken Bower Prize“, um den in diesem Jahr elf Autoren unter 35 Jahren mit ihren Ideen für ein Wirtschaftsbuch konkurrieren. Die Themen reichen dabei von Nachhaltigkeit bis zur Zukunft des Gesundheitswesens. Drei Finalisten und „in die engere Wahl gekommene Autoren“, wie es bei der FT heißt, werden zudem in einer Meisterklasse mit Vertretern der Verlagsbranche daran arbeiten, ihre Ideen in die Bücherregale zu bringen. Zwei frühere Preisträger haben dieses Sprungbrett genutzt und ihre Werke veröffentlicht: Jonathan Hillman (2019), dessen Buch „The Digital Silk Road“ sich mit dem Kampf zwischen den USA und China um die Kontrolle über die nächste Generation von Technologien befasst und Andrew Leon Hanna (2018), der in „25 Million Sparks“ über den Aufstieg von Unternehmern in Flüchtlingslagern und Städten schreibt.