Bürokratieabbau

Zankapfel EU-Lieferkettengesetz

Es wird erkennbar, dass das EU-Lieferkettengesetz die politische Kampfzone beim Omnibus-Paket werden dürfte, denn die Vorstellungen gehen weit auseinander.

Zankapfel EU-Lieferkettengesetz

Zankapfel EU-Lieferkettengesetz

In den Verhandlungen über den Abbau der Bürokratie zeichnen sich die schärfsten Kontroversen über die CSDDD ab

Die Beratungen über das „Omnibus-I-Paket“, also die Erleichterungen für Unternehmen bei nachhaltigen Berichts- und Sorgfaltspflichten, kommen bislang zügig voran. Zugleich wird erkennbar, dass das EU-Lieferkettengesetz die politische Kampfzone werden dürfte, denn die Vorstellungen gehen weit auseinander.

Von Detlef Fechtner, Brüssel

So zügig geht es selten in der EU: Im Februar hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen das Gesetzespaket zum Abbau von Bürokratie bei Nachhaltigkeits-Reporting und Lieferketten-Sorgfaltspflichten vorgestellt. Und bereits vier Monate später sind erste Elemente davon politisch verabschiedet. Vorige Woche einigten sich Unterhändler von Rat und EU-Parlament über die Befreiung des Mittelstands von Berichtspflichten des CO2-Grenzausgleichs, der in Brüssel unter der Chiffre „CBAM“ bekannter ist.

Auch bei den anderen Teilen des Gesetzespakets, bei der Nachhaltigkeitsberichts-Richtlinie CSRD und dem EU-Lieferkettengesetz CSDDD, hat sich zuletzt einiges getan. Am Montag startete der Rechtsausschuss des EU-Parlaments die Beratungen über eine gemeinsame Position – auf Basis der konkreten Vorlage des konservativen Berichterstatters Jörgen Warborn. Und in der Nacht zum Dienstag stieg im Rat weißer Rauch auf. Die nationalen Regierungen haben sich auf eine gemeinsame Ausrichtung verständigt und stehen somit für die Schlussverhandlungen mit dem EU-Parlament bereit. Eigentlich sieht also alles danach aus, dass das ambitionierte Ziel einer Einigung der EU-Gesetzgeber bis Jahresende realistisch ist. Wäre da nicht das EU-Lieferkettengesetz.

Denn anders als bei CBAM, CSRD und Taxonomie liegen bei der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) die Positionen sehr weit auseinander – von weitgehend unverändert lassen bis ganz abschaffen. Angesprochen auf die Vermutung, dass die CSDDD die eigentliche Kampfzone des politischen Schlagabtauschs werden könnte, sagt die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler: „Die CSDDD ist auf jeden Fall eine heiße Kartoffel in den Verhandlungen.“

Ruf nach Abschaffung

Bereits unmittelbar nach der Vorlage der EU-Kommissionsvorschläge hatten Vertreter der Sozialdemokraten und der Grünen explizit angekündigt, sich gegen eine Verwässerung des EU-Lieferkettengesetzes stellen zu wollen. So hatte die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini ihr Votum für eine Verschiebung der Anwendung der CSDDD damit begründet, dass das EU-Parlament damit Zeit gewinne, „das EU-Lieferkettengesetz nicht zu entkernen“. Und die Sozialdemokratin Evelyn Regner hatte mit Bezugnahme auf das Lieferkettengesetz erklärt, was die EU-Kommission als Bürokratieabbau bezeichne, sei eine Flucht aus der Verantwortung.

Während also die Parteien links der Mitte darauf pochen, das EU-Lieferkettengesetz weitgehend zu erhalten, stellen andere Fraktionen die CSDDD ganz grundsätzlich infrage. Noch unklar ist, ob die Konservativen, die die mit Abstand größte Fraktion im EU-Parlament stellen, die komplette Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes fordern werden. CSU-Frau Niebler machte jüngst deutlich, dass sie den entsprechenden Vorschlag, den Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel geäußert hat, unterstütze. In der Fraktion gebe es aber auch andere Stimmen, heißt es.

Das jetzt beschlossene Mandat des Rats sieht vor, dass an der EU-Lieferketten-Richtlinie festgehalten werden soll, aber mehr Unternehmen von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen werden. Die nationalen Regierungen plädieren für eine Schwelle von 5000 Beschäftigten und einen Umsatz von 1,5 Mrd. Euro. Der Ansatz folgt zudem stärker der Risikoorientierung: Die Unternehmen sollen nicht mehr verpflichtet sein, eine umfassende Bestandsaufnahme vorzunehmen, sondern stattdessen ein allgemeineres „Scoping“ durchführen. Dabei soll es auch nicht mehr um die komplette Lieferkette gehen, sondern nur um direkte Geschäftspartner.

Entgegengesetzte Bewertungen

Niebler begrüßt die Verständigung des Rats, will aber noch mehr Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen: „Die Einigung unter den Mitgliedstaaten zeigt, dass die Richtung stimmt, aber noch viel Weg vor uns liegt.“ Es brauche „mehr Mut für weitere Impulse.“ Das Urteil der Umweltlobby WWF über den Ratskompromiss hingegen fällt vernichtend aus. Der Vorschlag hebele die Ziele systematisch aus. Nur noch ein kleiner Teil der Unternehmen fiele unter den CSDDD-Anwendungsbereich. Die zivilrechtliche Haftung werde gestrichen. Viele dieser Einwände dürften bei der Befassung des EU-Parlaments mit dem Dossier erneut zur Sprache gebracht werden, von Sozialdemokraten, Liberalen oder Grünen. Ob die angepeilte Einigung im Herbst zu halten ist, ist daher zweifelhaft.

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