NOTIERT IN SCHANGHAI

Zeig uns, wie groß du bist, erhabener Qomolangma!

Was könnte erhabener sein als der Anblick der schneebedeckten Gipfel des Himalajas bei gleißendem Sonnenschein? Wie aber heißt der höchste und damit auch im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubendste von ihnen doch gleich? Nun, Mount Everest würde...

Zeig uns, wie groß du bist, erhabener Qomolangma!

Was könnte erhabener sein als der Anblick der schneebedeckten Gipfel des Himalajas bei gleißendem Sonnenschein? Wie aber heißt der höchste und damit auch im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubendste von ihnen doch gleich? Nun, Mount Everest würde der westliche Bildungsbürger wie aus der Pistole geschossen antworten. Viele können als Happen geografischer Kenntnisse auch die prachtvolle Größe von 8 848 Metern und als Standort Nepal zum Besten geben.Auf dieselbe Frage würde ein beliebiges chinesisches Schulkind zum Besten geben, was man im chinesischen Geografieunterricht so ziemlich als Erstes lernt: nämlich dass der höchste Berg der Welt Qomolangma heißt und selbstverständlich auf chinesischem Boden steht. Und dann würden sie todsicher das herzzerreißend schöne und jedem Chinesen bekannte Volkslied “Qomolangma” anstimmen, das die Erhabenheit des Anblicks des höchsten der schneebedeckten Gipfel des Himalayas bei gleißendem Sonnenschein besingt. *Wer hat nun recht? Da muss man salomonisch sagen, dass es einfach auf den Blickwinkel ankommt. Das Felsungetüm schert sich nun einmal nicht um Landesgrenzen und steht damit zumindest am Fuße sowohl in China wie auch in Nepal. Ein gewisser Sir George Everest war Mitte des 19. Jahrhunderts jahrelang Leiter der “Großen Trigonometrischen Vermessung Indiens im Dienste ihrer Majestät des Vereinigten Königreiches” und dabei auch der britische Surveyor General of India. Sein Nachfolger Andrew Scott Waugh ließ den zunächst als Peak B bezeichnete Gipfel im Jahr 1848 erstmals von Indien aus vermessen und mit einer Höhe von 8 840 Metern bei der Royal Geographical Society eintragen. Als Gipfel der Bescheidenheit eines braven britischen Kolonialbeamten ließ er Peak B nicht als Mount Waugh, sondern zu Ehren seines Vorgängers als Mount Everest taufen.Nepalesen und Tibeter wiederum hatten freilich schon früher kapiert, dass es sich um einen besonderen Berg handelt, und ihm mit der Bezeichnung Sagarmatha (Stirn des Himmels) auf Nepali beziehungsweise Qomolongma (Mutter des Universums) auf Tibetisch auf treffendere und romantische Weise eine besondere Reverenz erwiesen. China aber hat den Berg nicht nur reichlich besungen, sondern immer wieder auch mal neu vermessen. Bei einer Berechnung im Jahr 2005 landete man dabei abzüglich der Schneekoppe nur bei enttäuschenden 8 844 Metern und 43 Zentimetern.Fünfzehn Jahre später wollte man es erneut wissen und ist mit innovativen wissenschaftlichen Methoden zu Werke gegangen. Vor allem hat Peking die Sache auch gleich noch für einen diplomatischen Coup benutzt und als Gemeinschaftsprojekt mit Nepal aufgezogen. Eigentlich wollte Nepal nämlich allein loslegen, ließ sich aber nach einem Besuch von Chinas Staatschef Xi Jinping 2019 zum Vermessungspakt im Zeichen “ewiger Freundschaft” überreden. Für Nepal sind nebenbei Infrastruktur- und Wirtschaftshilfen Chinas herausgesprungen, während Peking eine offizielle Anerkennung Taiwans und Tibets als Teile Chinas seitens der Nepalesen einheimste. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft also. Das nepalesische Team war 2019 oben auf dem Gipfel, das chinesische dieses Jahr im Mai, und seit einer Woche weiß die Welt nun offiziell, dass sich der Wonneproppen auf exakt 8 848 Meter und 86 Zentimeter erstreckt. Er ist also größer als gedacht. *Besonders stolz ist das chinesische Expeditionsteam noch auf eine andere Errungenschaft, die die traditionelle chinesische Zähigkeit mit modernster Entertainmenttechnologie verknüpft. Auf dem beschwerlichen Weg nach oben wurde nebenbei eine kleine Telekomausrüstungskür deponiert und mit tatkräftiger Unterstützung von China Mobile und Huawei das weltweit höchstgelegene 5G-Telekomnetz geknüpft. Ambitionierten Bergsteigern eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Sie können künftig 86 Zentimeter höher als gedacht stehen und das obligaten Selfie-Foto mit dem nun vorhandenen Netz auch noch postwendend posten.