Geldpolitik

Zentralbank widersteht Erdogans Drängen

Trotz wiederholter verbaler Interventionen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan haben die Währungshüter in der Türkei vorerst von Zinssenkungen abgesehen. Sie tasteten den Leitzins bei 19% abermals nicht an und stellten zudem in Aussicht, an...

Zentralbank widersteht Erdogans Drängen

rec Frankfurt

Trotz wiederholter verbaler Interventionen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan haben die Währungshüter in der Türkei vorerst von Zinssenkungen abgesehen. Sie tasteten den Leitzins bei 19% abermals nicht an und stellten zudem in Aussicht, an ihrer straffen Geldpolitik so lange festzuhalten, bis sich die Inflation wieder abschwächt. Die Entscheidung entsprach den Erwartungen von Analysten.

Die Verbraucherpreise in der Türkei ziehen unaufhörlich an. Inzwischen steuert die Teuerungsrate auf die Marke von 20% zu. Das ist nach verbreiteter Auffassung von Ökonomen kein Umfeld, das eine Lockerung der Geldpolitik rechtfertigt – eher halten sie weitere Zinserhöhungen für geboten. Zumal die Zentralbank wegen des anhaltenden Preisdrucks wiederholt ihre Inflationserwartungen nach oben revidiert hat.

Das hält Erdogan nicht davon ab, auf einen geldpolitischen Kurswechsel zu pochen. Zuletzt erneuerte der Staatspräsident seine unkonventionelle Sichtweise, wonach hohe Zinsen zu steigendem Preisdruck führen. „Schluss mit hohen Zinsen, denn sie würden uns höhere Inflation bringen“, sagte Erdogan Anfang August laut der Nachrichtenagentur Bloomberg in einem Fernsehinterview. „Es ist nicht möglich, dass sich die Inflation von jetzt an weiter beschleunigt, weil wir zu niedrigeren Zinssätzen übergehen.“ Im Frühsommer hatte Erdogan Juli oder August für erste Zinssenkungen ins Spiel gebracht. Seinerzeit zog die Inflation bereits stark an. Im Juli hat die Inflation angesichts steigender Lebensmittel- und Energiepreise auf Jahressicht 19% erreicht. Das ist das höchste Niveau seit zweieinhalb Jahren. 2019 reagierte die Zentralbank mit Zinserhöhungen auf 24%.

Staatspräsident Erdogan hat sich in der Vergangenheit nicht gescheut, wiederholt und ohne Vorankündigung den Chef der Zentralbank auszutauschen, wenn dieser nicht die erwünschte lockere Geldpolitik lieferte. Beobachter haben deshalb Zweifel, wie lange die Währungshüter Erdogans Drängen widerstehen werden. Seit März steht Sahap Kavcioglu an der Spitze der Notenbank, ein Gefolgsmann Erdogans und erklärter Gegner einer straffen Geldpolitik. Beobachter schließen wegen dieser Konstellation trotz der hohen Inflationssorgen und einer anhaltend schwächelnden Lira eine Zinssenkung im vierten Quartal nicht aus.

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