Steuerwettbewerb

ZEW: Deutschland verliert an Attraktivität

Mit einer kombinierten Untersuchung über die Entwicklung der Unternehmensbesteuerung und hoch qualifizierter Beschäftigter kommt das ZEW zu einem eindeutigen Schluss: Deutschland muss handeln.

ZEW: Deutschland verliert an Attraktivität

wf Berlin

Die mittleren und westlichen EU-Staaten stehen einer ZEW-Studie zufolge steuerpolitisch unter hohem Wettbewerbsdruck. „Um bei der Standortattraktivität nicht den Anschluss zu verlieren, müssen insbesondere Länder wie Frankreich, Italien und Deutschland die Abgabenlast verringern“, erklärte Leonie Fischer, Mitautorin der Studie. Auch Brasilien wird in diesem Kontext genannt. Untersucht wurden 26 OECD-Länder vom ZEW zusammen mit den Universitäten Mannheim und Kiel.

Die Wirtschaftswissenschaftler haben für die Studie nicht nur die steuerliche Belastung der Unternehmen selbst untersucht, sondern auch die Belastung hoch qualifizierter Arbeitnehmer – und beide Faktoren für die Standortbewertung kombiniert (siehe Grafik). Wegen des enormen Digitalisierungsschubs durch die Corona-Pandemie geht die Studie davon aus, dass in der Wissensgesellschaft die Besteuerung hoch qualifizierter, mobiler Arbeitskräfte bedeutender wird. Unter die Lupe genommen wurde die Entwicklung im vergangenen Jahrzehnt.

Abwärtstrend fortgesetzt

„Die effektive Steuerbelastung von Unternehmensinvestitionen befindet sich weiter in einem Abwärtstrend“, erläuterte Christoph Spengel, Forschungsprofessor am ZEW. Den europaweiten Spitzenwert nahm 2019 bei der effektiven Steuerlast der Unternehmen Frankreich mit 33,5% (2009: 34,7%) ein. Deutschland liegt mit fast 29% auf Platz 3 unter den EU-Mitgliedsländern und sogar höher als 2009 mit 28,0%. Der Abwärtstrend und der damit einhergehende Steuerwettbewerb bei Unternehmensinvestitionen habe sich in den vergangenen Jahren aber verlangsamt, stellte Spengel fest.

Hoch qualifizierte Arbeitnehmer sind mobil und reagieren auf steuerliche Anreize, indem sie das Land wechseln. Eine erhöhte Abgabenlast schlägt laut Studie indirekt auf den Arbeitgeber durch. Länder mit überdurchschnittlich hohen Abgaben auf hoch qualifizierte Arbeit würden damit auch für Unternehmen, die sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte nutzen, unattraktiv. Die durchschnittliche effektive Steuerbelastung des Faktors hoch qualifizierte Arbeit blieb der Studie zufolge in der vergangenen Dekade „eher konstant“. In der Kombination von effek­tiver Durchschnittssteuerbelastung von Unternehmen und hoch qualifizierten Arbeitnehmern zeigt sich laut ZEW nach wie vor für beide Indikatoren eine große Streuung zwischen den Ländern.

Vier Steuerstrategien

Vier Strategien seien erkennbar: Die östlichen EU-Mitgliedsländer verfolgen eine klassische Niedrigsteuerpolitik – Russland und die Schweiz fielen ebenso in diese Kategorie. Belgien, Frankreich, Italien und Spanien wiesen hingegen eine überdurchschnittlich hohe effektive Steuerbelastung für Unternehmen und hoch qualifizierte Arbeitskräfte auf. Die nördlichen EU-Mitgliedstaaten sowie Irland und Slowenien belasteten mobile Kapitaleinkommen unterdurchschnittlich, besteuern hoch qualifizierte Arbeit dagegen überdurchschnittlich. Umgekehrt sei es in Indien, Japan und den USA: Kapitalgesellschaften würden über- und hoch qualifizierte Arbeitnehmer unterdurchschnittlich besteuert.

Mit Blick auf die Pandemie hält es das ZEW für weniger wahrscheinlich, dass sich der Unterbietungswettlauf bei der direkten Unternehmensbesteuerung fortsetzt. Offen bleibt, wie sich die neue globale Mindeststeuer von 15% auswirken wird. Eine wachsende Bedeutung im Steuerwettbewerb könnte aber künftig die Belastung des Faktors Arbeit bei zunehmenden Restriktionen für die Steuerplanung von Unternehmen und dem Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft haben, meint Fischer.

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